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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium
Autoren: Lindsey Davis
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seiner berühmten Listen der Unerwünschten auch Ärzte standen. Da Medizin gern mit Magie gleichgesetzt wurde, hatte er so eine Liste. Er wollte mich keinen Blick darauf werfen lassen, aber er fand die Adresse, die wir brauchten, und wir machten uns auf den Weg, den Mann zu stellen, von dem ich nun überzeugt war, dass er der Mörder sein musste.
    »Er hasst alle Sklaven. Ich habe gehört, wie er sie verunglimpft hat – zum Hades, er hat sogar mich verhöhnt, als er dachte, ich sei einer –, und die Leute haben mir von seiner Einstellung erzählt, seit ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Er ist Anhänger derselben breiten hippokratischen Doktrin wie Zosime und die Ärzte im Tempel des Aesculapius. Zosime, oder vielleicht war es auch jemand anders, erzählte mir vor einiger Zeit, dass er sie ausgebildet habe. Sie nennt ihre Art der Behandlung ›sanft, sicher und sacht‹, aber er hat das alles auf schmutzige Weise pervertiert …«
    Wir waren auf dem Weg zu Cleander.
     
    Die Straßen waren ein Alptraum, voll mit Feiernden, die nicht kapieren wollten, warum wir es so eilig hatten. Petro hatte einige Männer mitgebracht, doch die meisten hatten in dieser Nacht zu viel mit dem Feuerlöschen zu tun. Der Geruch nach Rauch hing in der Luft, genauso dicht wie der Lärm der ausgelassenen Menge. Wir fanden das Haus. Drinnen schien alles dunkel zu sein, doch auf das gedämpfte Klopfen eines Vigilen, der vorgab, ein Patient zu sein, öffnete Cleander selbst die Tür.
    Petronius Longus führte ihn zurück nach drinnen und begann ihn zu verhören. Woraufhin Cleander ihn bloß hochmütig anfunkelte. Wir waren alle weit unter seiner Würde. Er behandelte die Beschuldigung, Entlaufene ermordet zu haben, mit eisiger Verachtung. Bald weigerte er sich, noch irgendwelche Fragen zu beantworten. Petronius ließ ihn ins Wachlokal abführen.
    »Hab ich schon öfter erlebt, Marcus. Er wird nie gestehen. Ich kann Sergius auf ihn loslassen, aber dieser Mann ist so arrogant, dass er es als Herausforderung ansehen wird, den Schmerzen standzuhalten.«
    »Vielleicht werden seine Sklaven – oder seine Patienten – uns Informationen geben.«
    »Ich wette, die werden seine Unschuld genauso sehr beteuern wie er selber.«
    »All seine Patienten halten ihn für wunderbar.«
    »Und keiner aus seinem Haushalt wird zugeben, dass er hätte erkennen sollen, was der Mann tat.«
    »Tja, bleib dran, Junge. Wenn du es unter den Landstreichern publik machst, dass er unter Arrest steht, wirst du vielleicht mehr Zeugen finden. Seine Aktivitäten waren den Entlaufenen bekannt, aber Furcht hat sie zum Schweigen gebracht. Selbst Zosime sollte dir helfen können. Sie verabscheut, was den Entlaufenen angetan wird. Schockier sie mit den Fakten, dann wird sie aussagen.«
    Petronius wurde fortgerufen. Er ließ einen Mann zur Bewachung des Hauses zurück. Eine komplette Durchsuchung sollte am nächsten Tag stattfinden. Justinus und ich warfen einen raschen Blick in verschiedene Räume und wollten gerade gehen, als uns der Vigile zu sich rief. Er hatte eine verschlossene Kammer gefunden. Wir konnten keinen Schlüssel dafür entdecken; Cleander musste ihn mitgenommen haben. Zunächst wollten wir sie den Jungs zur Durchsuchung am nächsten Tag überlassen, doch dann rammte Justinus seine Schulter gegen die Tür und stieß sie auf.
    Drinnen war es dunkel. Als wir hineinstürzten, machte uns ein schwaches Stöhnen auf menschliche Anwesenheit aufmerksam. Wir holten Licht herbei. Dann sahen wir, dass Cleander einen Patienten, oder ein Opfer, zurückgelassen hatte, festgeschnallt auf einer Pritsche. Er war geknebelt, und aus seinem Arm tropfte unaufhaltsam Blut in eine inzwischen randvolle Schüssel.
    Wir hätten ihn dort liegen lassen können. Später wünschte ich mir manchmal, ich hätte es getan. Doch selbst nachdem wir erkannten, dass der Patient Anacrites war, siegte unsere Menschlichkeit. Wir entfernten den Knebel, hielten seinen Arm hoch, bis der Blutfluss aufhörte, dann wickelte der Vigile, der etwas Ahnung vom Verbinden hatte, den Arm in ein zerrissenes Tuch.
    »Ich dachte, Cleander hätte seine Opfer erwürgt, Marcus.«
    »Er hat auch normale Behandlungen durchgeführt, Quintus. Nachdem Scaeva unter Mastarnas Messer gestorben war, ist Cleander vielleicht auf die Idee gekommen. Möglicherweise hasste er Anacrites als Ex-Sklaven und wollte den Spion langsam sterben lassen. Tropf, tropf, tropf – sanft, sicher und sacht über den Styx in die Unterwelt …«
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