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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium
Autoren: Lindsey Davis
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beigestanden und ging davon aus, dass sie einfach nur dasitzen und ruhig abwarten würde, ob Quintus zu ihr kam. Wenn er das tat, würde sie sich zickig geben – und wer konnte ihr das verdenken –, aber sie würde wie bei früheren Gelegenheiten offen für Verhandlungen sein.
    Veleda sah so aus, als wüsste sie jetzt, dass Justinus zu verklemmt war, sein römisches Erbe aufzugeben. Es war offenkundig, was sie davon hielt. Sie schleuderte den Silberbecher auf den Mosaikboden und fegte dann ebenfalls mit einem zornigen Blick davon, um in einem anderen Raum Zuflucht zu suchen.
    Quintus blieb es überlassen, sich seiner Tragödie zu stellen. Hier ging es nicht mehr darum, für welche er sich entscheiden würde. Keine von ihnen wollte ihn. Plötzlich sah er selbst wie ein Junge aus, der seinen kostbaren Kreisel an rauhere, rüdere Burschen verloren hatte, die ihn nicht zurückgeben würden.
     
    Als der vom Schicksal gebeutelte Mann als Erstes Veleda folgte, hielt ihn niemand zurück. Ich rückte den Doppeltüren näher, die er hinter sich geschlossen hatte, mischte mich aber nicht ein. Quintus blieb nur für kurze Zeit in dem Raum. Als er herauskam, wirkte er schmerzerfüllt. Sein Gesicht war verzerrt. Er hielt einen kleinen Gegenstand fest in der Hand. Ich konnte ihn nicht sehen, erkannte aber das herabbaumelnde Band. Sie hatte ihm das Specksteinamulett zurückgegeben.
    Als er mich erreichte, machte er eine ungeduldige Bewegung. Er wollte, dass ich beiseitetrat. Ich packte ihn und umarmte ihn trotzdem. Abgesehen von Veleda war ich der einzige Anwesende, der mit ihm in Germanien gewesen war, der Einzige, der wirklich wusste, was sie ihm bedeutet hatte. Er hatte die Liebe seines Lebens nicht nur einmal, sondern ein zweites Mal verloren. Schon beim ersten Mal war er nicht darüber hinweggekommen und bildete sich vermutlich ein, dass es jetzt noch schwerer sein würde. Ich wusste es besser. Er hatte genügend Übung, seinen Verlust zu ertragen. Ein zweites Mal zu trauern ist immer leichter.
    Camillus Justinus war ein junger Mann. Jetzt wusste er, dass seine legendäre Geliebte eine ältere Frau war und immer älter werden würde als in seiner in so hohen Ehren gehaltenen goldenen Erinnerung. Was er auch zu ihr gesagt hatte, uns allen war durch die Kürze des Gesprächs klar, dass sie jegliche Beteuerung abgewürgt hatte. Was gab es auch zu sagen? Er konnte anführen, dass seine Frau jung war und ihn brauchte, dass sie eine Mutter war. Vielleicht hatte Claudia ihm erzählt, dass sie wieder schwanger war. Veleda würde die Situation erkennen. Justinus hatte seine Unschuld verloren, nicht in jener romantischen Nacht im Signalturm tief im Wald, sondern in dem Moment, als er sich für das römische Leben entschied, in das er hineingeboren war – als er sich umdrehte und instinktiv Claudia Rufina und seinen kleinen Sohn anlächelte.
    Vielleicht hatte Veleda ebenfalls bemerkt, dass Justinus, was Frauen anging, ein Idiot war.
    Er hielt sich ganz steif. Ich ließ ihn los. Ohne ein Wort zu irgendjemandem trat Justinus seinen einsamen Gang an, um seine Frau zu finden und ihr die schwere Entscheidung mitzuteilen, dass ihm nun Reife und gute Manieren auferlegt worden seien. Keiner von uns beneidete das Paar um ihre kommenden Bemühungen, wieder eine Art Freundschaft zu schließen. Aber er war von Natur aus unbeschwert, und sie war bitterlich entschlossen. Es war also möglich. Zumindest einstweilen würden die baeticanischen Smaragde in Rom bleiben. Justinus und Claudia würden sich zusammenraufen, obwohl es wie jede ihrer Wiedervereinigungen eine bittersüße sein würde.

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SATURNALIEN ,
SIEBTER TAG , DER LETZTE
    Zehn Tage vor den Kalenden des Januar (23. Dezember)

LXIII
    I ch weiß, dass die Historiker nicht berichten werden, wie über die Zukunft der Seherin Veleda entschieden wurde. Mir wurde die Enthüllung aus den üblichen, vorgeschobenen »Sicherheitsgründen« untersagt.
    Was jedoch in meinem Haus vorging, kann ich nach eigenem Gutdünken enthüllen oder verschweigen. Unter den gegebenen Umständen, sagte Helena, sei es verständlich, dass die Seherin beim Frühstück schlecht gelaunt war. Sie hatte sich seit dem Moment tief in sich zurückgezogen, als sich Helena am Abend zuvor sanft mit einem Kuss von ihren Eltern verabschiedet und es ihnen überlassen hatte, ein Auge darauf zu haben, was zwischen ihrem Bruder und Claudia geschehen mochte. Der Senator und seine Frau waren mitfühlende Schwiegereltern. Ich
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