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Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Titel: Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Autoren: Ann Granger
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entlang bis zum Abzweig und bog in das letzte Stück Weges ein, das Sträßchen hinunter, das unter dem Namen Toby's Gutter Lane bekannt war.
    Heutzutage wusste längst niemand mehr, wer dieser Toby gewesen war, doch das Sträßchen hieß seit Menschengedenken so; der Name fand sich sogar auf einer alten Karte aus dem achtzehnten Jahrhundert. Es führte den Berg hinunter zur nächsten Hauptstraße, und bis zum heutigen Tag sammelte sich auf diesem Sträßchen nach starken Regenfällen das Wasser und floss hinunter wie in einer Gosse. Wo das Sträßchen in die Hauptstraße mündete, bildete sich in nassen Monaten regelmäßig ein großer Tümpel über die gesamte Fahrbahn hinweg. Jeden Winter schrieben überrumpelte Autofahrer Beschwerdebriefe an die Verwaltung.
    Monty passierte das Straßenschild mit dem Namen darauf. Es stand wie betrunken nach rechts geneigt, seit Pete Sneddon es mit seinem Traktor vor zwei oder drei Jahren gerammt hatte. Seit damals war es immer mehr erdwärts gesunken und würde irgendwann ohne jeden Zweifel ganz umkippen.
    »Ich schreibe selbst einen Brief an die Verwaltung!«, rief Monty einem Pferd auf einer Weide am Straßenrand zu. Die Weide gehörte ihm, genau wie die nächste, doch er nutzte das Land nicht. Es war Teil seines Puffers gegen die Welt da draußen.
    Das Pferd gehörte nicht ihm, sondern Gary Colley. Pete Sneddon trieb hin und wieder ein paar Schafe auf die andere Weide. Wie Monty das sah, war das voll und ganz ausreichend für das Land, ermöglichte es ihm doch zugleich, jeden möglichen Interessenten schroff abzuweisen.
    Das Pferd wieherte freundliche Zustimmung, oder vielleicht lachte es ihn auch einfach nur aus, weil selbst der dumme Gaul wusste, dass die Verwaltung wichtigere Dinge im Kopf hatte als Toby's Gutter Lane (und Montys Beschwerde).
    Auf diese Weise benötigte Monty beinahe eine ganze Stunde bis zu seinem Heim. Früher einmal, sinnierte er, hätte er die Strecke in der Hälfte der Zeit zurücklegen können. Er glaubte zu bemerken, dass die Arthritis in seinen Knien schlimmer wurde. Selbst der Whisky reichte nicht mehr, um den Schmerz zu betäuben - doch als er das letzte Mal beim Arzt gewesen war, hatte sich die Helferin am Empfang noch schlimmer angestellt als das Jüngelchen vorhin im Supermarkt. Schlimmer noch, so ein schmächtiges junges Ding in Jeans mit nackter Taille und einer Tätowierung um den Bauchnabel hatte ihn beschuldigt, Krankheiten in die Praxis einzuschleppen.
    »Das hier ist das Wartezimmer einer Arztpraxis, Fräulein«, hatte Monty sie informiert. »Das ist nun mal der Ort, an den man kommt, um sich Krankheiten einzufangen.«
    Bei diesen Worten hatten sämtliche anderen Patienten sich gerührt und versucht, auf möglichst große Distanz zu ihren kranken Nachbarn zu gehen - und alle zusammen waren vor Monty weggerückt.
    »Leben und leben lassen!«, sagte Monty laut zu sich selbst. Seine Stimmung besserte sich schlagartig, jetzt, wo er zu Hause war. Er schob sich durch den schmalen Spalt des rostigen Eisentors. Die Angeln waren längst festgerostet, und die Flügel bewegten sich nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Der Spalt war gerade breit genug, ein einzelnes menschliches Wesen hindurchzulassen. Winden rankten über den Gitterstäben und verbargen den Blick nicht nur auf ein hübsches Beispiel schmiedeeiserner Handwerkskunst des neunzehnten Jahrhunderts, sondern auch auf die unkrautübersäte Auffahrt zum Haupteingang von Balaclava House, einem ehemals ausgesprochen ansehnlichen Bauwerk in viktorianischer Spätgotik. Längst hatten die Ziegel angefangen zu verwittern. Über der Eingangsveranda zog sich ein wie ein Blitz geformter gezackter Riss bis hinauf in den ersten Stock und spaltete ein Wappenschild, das Montys Urgroßvater entworfen hatte in dem Versuch, eine durch und durch imaginäre Verbindung zum Adel anzudeuten.
    Monty war seit Jahren nicht mehr die breiten Stufen zu den oberen Stockwerken hinaufgestiegen. Seine Knie spielten nicht mit, und er verspürte darüber hinaus keinerlei Begierde zu sehen, wie weit der Zustand des Zerfalls in den oberen Zimmern fortgeschritten war. Er lebte ausschließlich im Erdgeschoss. Raum gab es mehr als genug hier unten. Neben der geräumigen Eingangshalle gab es eine große Garderobe, ein wohlproportioniertes Wohnzimmer, ein Esszimmer, einen Anrichteraum und eine riesige Küche, zusammen mit einem rückwärtigen Flur und einem kleinen Raum, den Monty nur das »Waffenzimmer« nannte, obwohl es
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