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Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)

Titel: Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Autoren: Ann Granger
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hätten, wie Monty darauf reagieren würde.
    »Nein, nein, nein«, murmelte Monty an diesem Punkt. »Ich hätte doch mein Testament niemals zu Gunsten eines völlig Fremden geändert.«
    Doch das war sein einziger Kommentar.
    Als Jess geendet hatte, saßen sie für eine Weile schweigend da. In der Stille hörte sie, wie Hilda Potter die Treppe herunterkam, zur Vordertür hinausging und beinahe im gleichen Moment wieder zurückkehrte, um erneut schnaufend die Treppe hinaufzusteigen. Was hat sie wohl nach draußen zum Wagen gebracht, das nicht in eine der bereitstehenden Holzkisten gepasst hätte?, fragte sich Jess.
    »Mit Geheimnissen ist das so eine Sache«, sagte Monty schließlich. Es gab eine weitere lange Pause, bevor er fortfuhr. »Der einzige Ort, an den sie gehören, ist nach draußen, ans Licht, wo sie niemandes Leben durcheinanderbringen können. Und da dachte ich all die Jahre, ich wäre der Einzige, der etwas gewusst hat. In Wahrheit wussten es alle, und alle dachten, ich wüsste es nicht!«
    »Sie wussten davon?«, fragte Jess ungläubig.
    »Was?« Monty starrte sie an, als hätte er vergessen, dass sie da war und als wären seine Worte ein Selbstgespräch gewesen. »Oh nein, nein, nicht alles. Bei Weitem nicht alles. Ich wusste nicht, dass Pennys Mama, Mrs. Henderson, noch ein Kind hatte. Lionel war sein Name, sagen Sie? Ich hatte keine Ahnung, dass der Kerl auf meinem Sofa ...« Monty deutete auf das genannte Möbelstück. »Ich hatte keine Ahnung, dass er mit mir verwandt war. Ich wusste von der Affäre zwischen meinem Vater und Pennys Mutter. Ich habe die beiden gesehen, in Shooter's Wood, in flagranti. Ich war damals zwölf. Sie haben mich nicht bemerkt. Sie waren zu sehr miteinander beschäftigt! Ich schlich davon. Aber es gab kein Vertun. So jung ich auch gewesen sein mag, ich wusste genau, was ich da gesehen hatte. Ich war auf einem Jungeninternat, verstehen Sie? Wir belauschten die älteren Jungen, und sie schienen von nichts anderem zu reden. Es befeuerte unsere Neugier und machte uns zu altklugen kleinen Bälgern. Aber ich habe meinen Freunden in der Schule nie erzählt, was ich gesehen hatte. Ich konnte mit niemandem darüber reden, mit niemandem. Es war mein Geheimnis, und ich habe es mehr als sechzig Jahre lang für mich behalten.«
    »Oh, Monty ...«, sagte Jess traurig.
    Er seufzte. »Später dann wurde mir klar, dass meine Mutter wahrscheinlich von der Affäre gewusst hatte, wenngleich nicht von dem Baby. Es lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Wenn sie es gewusst hat, dann war es vielleicht Grund genug für sie, um ... aber auch das lässt sich jetzt nicht mehr sagen. Sinnlos, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Nichts von alledem lässt sich noch ändern. Wasser unter der Brücke, wie es so schön heißt, alte Geschichten. Das Entscheidende ist - ich habe niemals darüber gesprochen. Ich glaube, das hat den ersten Keil zwischen Penny und mich getrieben. Es war nicht der einzige Grund, dass unsere Ehe gescheitert ist. Es gab mehr als genug andere, und die meisten davon habe ich zu verantworten. Aber Penny war gescheit und kannte mich gut. Sie wusste, dass ich etwas vor ihr verbarg, und es wurmte sie mächtig. Als die Jahre vergingen und ich immer noch nicht redete, wurde sie wütend. ›Ich weiß nie, was du gerade denkst, Monty!‹, sagte sie zu mir. ›Aber was immer es ist, es kommt immer von der gleichen Stelle. Irgendetwas beschäftigt dich, geht dir nicht aus dem Kopf, und du vertraust mir nicht genug, um mit mir darüber zu reden!‹ Sie ließ nicht locker, und irgendwann hatte sie den Keil so tief in unsere Beziehung getrieben, dass sie glatt entzweibrach, mittendurch. Was hätte ich denn tun sollen? Ich konnte doch unmöglich mit ihr darüber reden! Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, dem armen Ding die Wahrheit zu sagen!«
    Monty hob den Kopf und sah Jess scharf an. »Oder hätte ich das tun sollen?«
    »Nein, Monty«, sagte Jess leise. »Nein, bestimmt nicht.«
    Er sah erleichtert aus. »Ich danke Ihnen. Ich bin froh, dass Sie das gesagt haben.« Er mühte sich aus seinem Sessel. »Sie mögen vielleicht keinen Drink, aber ich kann einen vertragen.«
    »Ich hole ihn«, sagte Jess rasch. Sie erhob sich und öffnete den Messingdeckel der Kohlenschütte. Dort lag die Flasche, inmitten von altem Kohlenstaub. Sie fand ein Glas im Sideboard und schenkte einen großzügigen Schluck ein. Der arme alte Kerl hatte ihn verdient.
    »Monty«, sagte sie, als sie sich wieder
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