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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv
Autoren: John Maddox Roberts
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sehen kann, ist das Siegel noch unversehrt.« Ich reichte die Schriftrolle weiter an die kleine Gruppe der lokalen Amtsträger, die das Siegel einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Mit manipulierten Schriftstücken und Siegeln kannten sie sich bestens aus. Schließlich gaben sie mir die Rolle zurück und bestätigten, dass das Siegel echt und unversehrt war.
    »Ich werde das Schriftstück jetzt verlesen lassen«, verkündete ich. »Ich bin sicher, dass es etwas Licht in unseren Fall bringen wird.« Jedenfalls konnte es die Lage nicht verschlimmern, hoffte ich und reichte Marcus die Rolle. Er brach das Siegel und entrollte das Dokument so schwungvoll, als stünde er vor dem Senat und wolle den Sieg über einen gefürchteten Feind verlesen. Er überflog das Schriftstück und stellte fest: »Es ist auf Griechisch verfasst.«
    »Dann lies es eben auf Griechisch vor«, sagte ich. »Die meisten Anwesenden dürften des Griechischen mächtig sein, und für die anderen werde ich es übersetzen. Also los.«
    Und so verlas Marcus Gaetos letzten Willen, wobei er alle paar Zeilen eine Pause machte, damit ich übersetzen konnte.
    Ich bin Gaeto, begann das Testament, geboren in Numidien und in direkter Linie von Jüb a. abstammend, einem Prinzen der tarraelischen Berber. Es folgten zahlreiche Beschwörungen griechischer, römischer, numi-discher und ich glaube auch einiger karthagischer Götter. Dann folgte die Bestätigung, dass der Unterzeichnende sich im vollen Besitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte befinde und nicht unter dem Einfluss irgendwelcher Zauberei oder eines Fluches stehe.
    Das eigentliche Testament begann mit der Freilassung einiger treuer Sklaven, die lange in Gaetos Diensten gestanden hatten.
    In römischen Testamenten kamen diese durch den letzten Willen verfügten Freilassungen normalerweise ganz zum Schluss, aber vermutlich waren die Gepflogenheiten in Numidien anders.
    Dann kam endlich der interessante Teil.
    Meinem geliebten Sohn Gelon vermache ich alle meine in Numidien befindlichen Ländereien, Wohnsitze, Stammestitel, meine vererbbare Klientel und Tributrechte und vertraue ihm die Sorge für das Wohlbefinden seiner Mutter und meiner Konkubinen an. Die letzte Bestimmung schien die Menge für einen schlechten Scherz zu halten.
    Meiner zweiten Ehefrau Jocasta, las Marcus weiter vor, vermache ich all meine in Italia befindlichen Ländereien, Häuser, Besitztümer sowie mein geschäftliches Vermögen und die sich daraus ergebenden Ansprüche. Diese Bestimmung sorgte für einiges Erstaunen. Natürlich können nach römischem Recht Witwen und Töchter als Erben eingesetzt werden, doch dass die Frau eines Barbaren mit einer Hinterlassenschaft bedacht wurde, hätte man nicht erwartet, erst recht nicht, da ja auch noch ein leiblicher Sohn des Verstorbenen vorhanden war.
    Gelon sah ebenfalls überrascht aus, wohingegen Jocasta völlig ungerührt wirkte. Was soll's, dachte ich, der Junge wollte sowieso nichts mit dem Sklavenhandel zu tun haben, und wie es aussieht, muss er sich darüber nun keine Gedanken mehr machen. Aber wahrscheinlich hat er gedacht, dass er das Geschäft und den Besitz seines Vaters wenigstens zu einem stattlichen Preis würde verkaufen können.
    Meine geliebte zweite Ehefrau, hieß es weiter, war mir in sämtlichen geschäftlichen Angelegenheiten, für die mein Sohn weder Neigung noch Interesse gezeigt hat, eine große Hilfe und Stütze. Als Griechin würde ein Leben in Numidien für sie eine unzumutbare Härte bedeuten. Deshalb möchte ich ihr auf diese Weise ein sorgenfreies Leben in angemessener sozialer Position ermöglichen.
    Diese Ausführungen erschienen etwas rätselhaft.
    Normalerweise liefert ein Mann für die Verfügungen seines letzten Willens keine Rechtfertigung. Schließlich besteht dafür keinerlei Notwendigkeit, es sei denn, er schließt einen ihm unwürdig erscheinenden Erben ausdrücklich aus und will dieser Demütigung durch eine beleidigende Erklärung noch zusätzlichen Nachdruck verleihen.
    Abschließend verlas Marcus die diversen Beschwörungen, mit denen das Testament endete, stellte noch einmal demonstrativ nach allen Seiten Gaetos Siegel zur Schau und gab mir das Schriftstück zurück. Die Menge, die Anwälte und die Geschworenen sahen mich ratlos an. Schließlich ergriff Vibianus das Wort.
    »Verehrter Praetor, bietet dieses merkwürdige Dokument in deinen Augen irgendetwas, das für unseren Fall von Bedeutung ist?«
    »Ich fühle, dass es etwas
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