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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv
Autoren: John Maddox Roberts
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ausbricht und er mir nicht in die Finger fällt!«

XIV
    Die Stimmung in unserem Stadthaus war ziemlich angespannt. Niemand wusste, wie es weitergehen sollte, geschweige denn, was ich vorhatte. Ich hatte meine Liktoren am Haupttor postiert und alle anderen angewiesen, hineinzugehen.
    Antonia und Circe plapperten aufgeregt und waren wie immer unterschiedlicher Meinung. Julia machte einen äußerst verstimmten Eindruck, und bis auf Hermes sahen mich alle an, als hätte ich soeben politischen Selbstmord begangen. Hermes hätte das gut in den Kram gepasst. Wenn ich hinunter zum Hafen gestürmt wäre, das nächstbeste Schiff bestiegen und fortan das Leben eines Piraten geführt hätte, hätte er einen Freudentanz aufgeführt.
    »Dafür wirst du in Rom eine Menge Ärger bekommen«, prophezeite Marcus.
    »Bei dem Theater, das zurzeit in Rom herrscht, interessiert sich dafür niemand. Und jetzt lasst mich alle erst mal in Ruhe.
    Ich muss nachdenken.« Ich setzte mich in den Innenhof und ließ mir einen kleinen Imbiss und Wein bringen.
    »Ich hatte gehofft, du hättest vor der Prozessunterbrechung nachgedacht«, sagte Julia.
    »Bis Sonnenuntergang sollte es uns gelingen, den Fall zu lösen«, entgegnete ich und nahm das Testament zur Hand. »Als Erstes noch einmal zu diesem Schriftstück. Du bist sicher, dass es von derselben Person geschrieben wurde wie das Gedicht?«
    Sie ging in unser Schlafgemach und kam mit der kleinen Schriftrolle zurück. Wir legten beide Schriftstücke nebeneinander auf den Tisch und verglichen sie. Es gab keinen Zweifel, Tinte und Schrift waren identisch.
    »Gelon«, wandte ich mich an den Jungen, »wusstest du, dass dein Vater ein Verhältnis mit Gorgo hatte?«
    »Niemals!«, rief er entrüstet. Offenbar hatte er sich von dem Todesurteil so weit erholt, dass er sich auch wieder über andere Dinge aufregen konnte.
    »Warum nicht?«, hakte ich nach. »Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass ein Vater seinem Sohn die Geliebte ausspannt. Vielleicht überzeugt dich das hier.« Bei diesen Worten zeigte ich auf die ausgebreitete Schriftrolle. »Er hat ihr ziemlich eindeutige erotische Gedichte geschrieben. Gorgo hatte diese Schriftrolle im Zimmer ihrer Sklavinnen versteckt.«
    Gelon kam an den Tisch und starrte entgeistert auf die Schriftstücke. »Die hat nie und nimmer mein Vater verfasst!«
    »Warum bist du dir da so sicher?«, wollte Julia wissen.
    »Weil er nicht Griechisch schreiben konnte. Lateinisch übrigens genauso wenig. Er konnte nur Punisch lesen und schreiben.«
    Julia und ich sahen uns an. Schnell gingen wir beide in Gedanken durch, was diese neue Erkenntnis zu bedeuten hatte, und, wie so oft, gelangten wir zum gleichen Ergebnis.
    »Hermes«, sagte ich, »bring uns bitte den Minidolch, mit dem Gaeto getötet wurde.«
    Ahnungslos, worauf ich hinauswollte, befolgte er meine Bitte und holte die winzige Waffe. Ich reichte sie Julia. »Mal angenommen, du wolltest mich mit diesem Ding umbringen, meine Liebste, wie würdest du vorgehen?«
    Während die anderen unser Treiben mit offenen Mündern verfolgten, dachte sie eine Weile nach. Schließlich lächelte sie.
    »Ich zeige dir, wie ich es machen würde.«
    Anlässlich des Prozesses hatte sie sich eine dezente Frisur machen lassen. Ihr Haar war in der Mitte gescheitelt und im Nacken so zu einem Knoten geschlungen, dass eine Strähne als langer Schwanz über ihren Rücken fiel. Sie griff hinter ihren Kopf und versuchte, den kleinen Dolch in ihrem Haarknoten verschwinden zu lassen. Sie brauchte eine Weile, bis sie zufrieden war und ihre Hände ohne den Dolch wieder hervorzog. Triumphierend lächelnd vollführte sie vor unserem aufmerksamen Publikum eine Drehung. Die Waffe war nicht mehr zu sehen.
    »Stellt euch nun vor, ich wäre nackt und würde meinen geliebten Ehemann umarmen.« Selbst Antonia und Circe schwiegen ausnahmsweise, als Julia auf mich zuschritt, mir beide Hände um den Nacken legte und meinen Kopf zu sich herabzog, um mich zu küssen. In Rom galt es als Skandal, wenn eine Frau ihren Mann vor anderer Leute Augen küsste, aber wir waren in Baiae und hatten uns der dort herrschenden Zügellosigkeit angepasst. Ich spürte ihre Fingerspitzen auf meinem Nackenansatz, und dann plötzlich einen ganz leichten Einstich. Einer unserer Zuschauer - ich glaube, es war Circe - keuchte leise.
    »Ich habe den Dolch genau in dem Moment aus meinem Haar gezogen, als ich ihm den Kuss auf den Mund gedrückt habe.
    Selbst mit offenen Augen hätte
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