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Moon

Moon

Titel: Moon
Autoren: James Herbert
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Augen glomm ein dämonischer Haß, Haß auf die Frau, die ihren Körper so mißbraucht und dafür nicht einmal bezahlt hatte. Und diese Frau, dieses Etwas in seinem zeltgroßen Anorak, hob jetzt eine ihrer dicken, häßlichen Hände... als könne sie das Phantom so abwehren.
    Es war nicht nötig. Noch nicht. Ein alter Mann drängte sich jetzt zwischen die grotesk geschminkte Prostituierte und den zitternden Jungen, ein alter Mann, auf dessen faltigem Gesicht ein lüsternes, lächerliches Grinsen entstand.
    Ein Pyjama schlotterte an seinem ausgemergelten Körper, und das Licht des Mondes spiegelte sich in seinen Augen und verlieh ihnen neues Leben - ein reflektierter Glanz voller Wahnsinn. Getrocknetes, verkrustetes Blut verdunkelte stellenweise sein bleiches Gesicht, und sein Schädel endete wenige Zentimeter über den Augenbrauen wie abgeschnitten. Er kicherte unkontrolliert, kicherte und kicherte: die kalte Luft schien mit seinem freigelegten Hirn die lustigsten Dinge anzustellen.
    Die Frau kreischte los: ein Schrei, so wahnsinnig wie das Gekicher des alten Mannes, und Childes kroch zurück, fort von ihr, und er weigerte sich, zu glauben, was da vor sich ging - und er wußte doch, daß es wirklich geschah.
    Nun kreischte die Frau: »Es ist nicht real!«
    Und die Phantomgeschöpfe drängten sich heran, umringten sie, zupften und zerrten an ihren Kleidern, krallten sich an ihrem Gesicht und in ihren Haaren fest. Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen und griff hinauf -hinauf, zu ihren Augen...
    Sie stieß ihn von sich, aber er kam zurück, und er lachte über dieses Spiel. Sie wurde auf die Knie gezerrt -vielleicht hatten diesmal auch ihre Beine den Dienst versagt - und sie schlug wie von Sinnen um sich und kreischte unablässig: »Nicht real - ihr seid nicht real!«
    Schweigend scharten sie sich um sie und schauten auf sie hinab, auf diesen ungeschlachten, zusammengekauer-ten Körper. Der alte Mann kicherte, die Prostituierte hielt sich mit beiden Händen den Bauch, und der Junge flehte noch immer um die Rückgabe seines Herzens.
    »Illusion«, flüsterte Childes, und die Frau, das SieEtwas - Es - schrie ihn an.
    »Schick sie weg! Schick sie weg!«
    Und für einen Augenblick, während er zwischen Realität und Illusion schwankte, schien es, als würden ihre Gestalten verblassen, als würden sie wieder zu substanzlosen Nebelgebilden werden - nichts weiter als Gedankenprojektionen.
    Bis sich eine ganz winzige Gestalt durch die schwankenden Erscheinungen drängte und vor der auf Händen und Knien kauernden fetten Frau stehenblieb.
    Das Mädchen trug nur ein dünnes, grünes Baumwollkleid; keine Strümpfe und keine Schuhe, keine Windjacke und kein Mantel schützten es vor der Kälte der Nacht. Auf der einen Seite waren seine Haare zu einem Zopf geflochten und mit einem Band zusammengehalten; auf der anderen Seite war das Band weggerissen worden. Die Haare fielen locker und strähnig bis auf seine Schufter herab. Die Wangen glänzten wie feuchter Marmor, und eine winzige Hand versuchte, Tränen wegzuwischen. Aber diese Hand hatte keine Finger mehr. Sie endete in fünf blutverkrusteten Stummeln.
    »Annabel«, hauchte Childes.
    »Ich will jetzt nach Hause«, sagte sie zu der zitternden Frau, und ihre Stimme war leise und piepsig und erinnerte Childes an Gabbys Stimme.
    Die Frau hob den Kopf und stieß ein Heulen aus; einen langgezogenen, winselnden Angstschrei, der von der Wasserfläche tief unten noch verstärkt wurde, der anschwoll und zu einem hohlen und klagenden Kreisen wurde.
    Der Junge rammte seine Hand vor, und dieses Mal erreichte sie ihr Ziel. Sie tauchte fast bis zu dem dünnen Handgelenk in das Auge der Frau hinein - jedenfalls glaubte Childes, das zu sehen. Unmöglich, beharrte er trotzdem. Nur ein Alptraum. Aber dann wurden die Skelettfinger zurückgezogen, und eine dunkle Flüssigkeit spritzte auf. Die Finger hielten etwas Rundes und Glänzendes.
    Die Frau richtete sich auf und preßte eine Hand auf das immer noch sprudelnde Loch in ihrem Gesicht, verzweifelt bemüht, den Blutstrom einzudämmen. Sie kreischte und jammerte und schrie und bettelte. »Laßt mich in Ruhe! Laßt mich in Ruhe!«
    Aber sie wollten sie nicht in Ruhe lassen. Sie drängten wieder heran und umringten sie und krallten und klammerten sich an ihr fest.
    Sie riß sich los, schlug um sich, schmetterte den alten Mann zu Boden. Er beugte sich unbeeindruckt vor, noch immer grinsend, noch immer mit diesem albernen Kichern, und hob sein
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