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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
Autoren: Milena Moser
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Yogalehrerin und drehte sie routiniert auf die Seite. Dann richtete sie sich auf.
    «Ich glaube, sie hat sich auf die Zunge gebissen. Nichts Schlimmes. Aber ich bringe sie sicherheitshalber ins Krankenhaus.»
    «Heißt das, die Stunde fällt aus?»
    Ted wandte den Kopf und sah sie, neben ihm auf einer blumenbedruckten Matte, die dünnen Beine verbrezelt, die Stirn gerunzelt, die Unterlippe vorgeschoben.
    «Sieht fast so aus.»
    «Ausgerechnet! Ausgerechnet heute, wo ich so verspannt bin!» Sie hob eine Hand und rieb ihren Nacken. Eine beleidigte Prinzessin. Empört, dass das Leben ihren Ansprüchen einmal mehr nicht gerecht wurde. Er kannte diesen Ausdruck. Er war ihm hilflos ausgeliefert.
    In seinem Kopf hörte er die Stimme von Tobias. Ted, du Idiot, kannst du dir nicht mal ein anderes Modell aussuchen? Es gibt auch nette Frauen, weißt du!
    Ich kenne nette Frauen, antwortete Ted. Sie reizen mich nicht.
    Er wandte sich der Prinzessin zu. «Wir könnten stattdessen einen Kaffee trinken», sagte er. «Unten in der Bar.»
    «Ich trinke keinen Kaffee.»
    «Tee?»
     
Poppy
     
    Poppy stand auf. Sie rollte ihre Matte zusammen, sorgfältig, wie sie es immer tat, im Knien. Sie schaute nicht zu Nevada hinüber und nicht zu Marie, die sich über sie beugte. Und sie schaute vor allem nicht zu dem Blutfleck, der sich auf der Matte ausbreitete. Marie würde sich darum kümmern. (War sie für eine Ärztin nicht zu jung?) Marie würde wissen, was zu tun war.
    Poppy konnte hier nicht bleiben. Sie durfte ihren Blick nicht auf die Matte richten, die voller Blut war – war es Nevadas persönliche Matte? War es eine der Studiomatten? Wenn ja, würde sie entsorgt werden? Oder würde diese Matte, oberflächlich abgewischt, bei der nächsten Stunde wieder auf dem Holzboden liegen, womöglich auf dem Platz, den Poppy sich ausgesucht hatte, in der ersten Reihe, ganz außen bei der Tür?
    Poppy kam meist zu spät. Nickte der Praktikantin an der Kasse zu, die stirnrunzelnd den Kopf schüttelte. Eine Neue, dachte Poppy. Eine Studentin, vielleicht noch Gymnasiastin, die sich die teuren Stunden nicht leisten konnte und sie stattdessen abarbeitete. Ein junges Mädchen, das das Leben noch vor sich hatte, das sich noch einbilden konnte, es hätte die Lösung gefunden, die Antwort auf alle Fragen. Alles würde gut werden, wenn sie nur genug Yoga übte. Poppy beneidete sie darum. Sie selber hatte diese Gewissheit längst verloren. Seit zwei Jahren besuchte sie jede Woche Nevadas Montagabendstunde, und ihr Leben war kein bisschen einfacher geworden. Es waren nur neue Probleme dazugekommen, zum Beispiel fragte sie sich, was die anderen Yogaschüler dachten, wenn sie während der kurzen Anfangsmeditation ins Studio schlüpfte, ihre Matte gleich bei der Türe ausrollte und über die Studiomatte legte. So sehr sie sich bemühte, leise zu sein, jedes Mal stieß sie einen hölzernen Yogablock oder eine Wasserflasche um. Manchmal meinte sie, die Nächstsitzenden ungeduldig schnauben zu hören. Vielleicht praktizierten sie auch nur den Feueratem. Poppy brachte ihre eigene Matte von zu Hause mit, eine Antirutschauflage, ein Handtuch, eine Flasche Wasser. Sie baute einen Wall zwischen sich und den anderen Schülern auf, sie richtete ihren Blick auf Nevada. Diese hatte einmal eine Geschichte von einem indischen Lehrer erzählt, der die westlichen Schüler gleich als Erstes aufgefordert hatte, einen (nackten!) Fuß auf die Matte des Nachbarn zu stellen. Poppy wusste, an wen diese Geschichte gerichtet war. Sie spürte durchaus auch Nevadas pointierten Blick auf ihr Arsenal. Vielleicht sollte sie das Nevada einmal sagen, unter vier Augen, nach der Stunde. Doch sie hatte das Gefühl, Nevada weiche ihr aus.
    Poppy hatte vor zwanzig Jahren schon Yoga geübt, als es noch nicht Mode gewesen war. Es war eine andere Art von Yoga gewesen, langsamer, trotzdem hatte sich ihr Körper erinnert. Manche Übungen fühlten sich an wie eine Heimkehr. Als hätte sie nie etwas anderes getan. Andere fühlten sich falsch an. Sie hatte Nevada darauf aufmerksam gemacht. Nevada hatte ihr zugehört und ihr dann einen anderen Kurs empfohlen. So hatte Poppy es nicht gemeint. Sie hatte nur zeigen wollen, dass sie keine Schülerin wie alle anderen war. Zum einen war sie mit Abstand die Älteste in der Gruppe. Und, das nahm sie befriedigt zur Kenntnis, die Beweglichste. Wenn sie ihre Beine aus der Kerze über den Kopf in den Pflug senkten, war sie oft die Einzige, deren Fußspitzen den Boden
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