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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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keinen Bikini. Sie trägt ganz normale Sachen. Ihre Haut ist nicht mehr rot. Sie kommt auf mich zu. Die Ampel vor mir leuchtet rot. Erst als sie mit schnellen Schritten an mir vorbei über die Straße läuft und einen Jungen auf der anderen Seite küsst, verstehe ich, dass sie es gar nicht ist.
     
    Ich öffne die Tür zum Haus und höre ein irre lautes Geräusch. Ein Kreischen. Das Geräusch füllt den Flur ganz und gar aus. Grell, langgezogen. Ich fühle mich wie ein Einbrecher. Als wäre es selbstverständlich, dass dieses Haus von diesem Geräusch bewohnt wird, schon immer bewohnt wurde und dass ich nur ein Eindringling bin, der es stört.
    Leise drücke ich die Tür in den Rahmen und schleiche durch den Flur und den Lärm. Laub liegt auf dem Wohnzimmerboden, Erde und Gras sind auf der weißen Couch. Jemand hat die Rollos hochgezogen, und durch die Glasfront zum Garten sehe ich einen Mann in einer grünen Latzhose. Er trägt Kopfhörer und dicke Arbeitshandschuhe. Er lässt eine Motorsäge durch die tote Krone meines Bäumchens kreischen. Mit zwei, drei Bewegungen bleibt nur noch ein Stamm. Er holt noch einmal aus, und es ist nichts mehr da als ein Stumpf, den er mit beiden Händen packt. Der Stumpf, der Stamm, die Äste, alles landet in einem großen Plastiksack.
    »Was machen Sie da?«, brülle ich ihn an, während ich rausrenne.
    Er pfeift ein Lied ohne Melodie.
    »Hey«, brülle ich und packe ihn an der Schulter.
    Der Mann zuckt zusammen, dreht sich um und nimmt seine Kopfhörer ab.
    »Herrje, Sie haben mich aber erschreckt. Erschrecken Sie niemals einen Mann, der eine Motorsäge in Reichweite hat. Wenn ich diese Dinger aufhabe, kann sich eine Herde Elefanten von hinten anschleichen, und ich krieg davon nichts mit.« Er zieht die Arbeitshandschuhe aus und streckt mir die Hand entgegen. »Paul Clausen.«
    »Was machen Sie hier?«, frage ich noch einmal und merke, dass es mir schwerfällt, eine Verzweiflung in meiner Stimme zu zügeln, die mir gegenüber einem ganz normalen Menschen albern vorkommt. Eine Verzweiflung, an die ich mich in den letzten Wochen gewöhnt habe.
    »Ich schaffe den Baum weg«, sagt er.
    »Das können Sie nicht machen.«
    »Keine Panik. Ich habe hier den neuen.« Er zeigt auf eine Schubkarre, in der ein Baum wie meiner liegt.
    »Aber Sie können doch nicht einfach den Baum rausreißen und ersetzen.«
    »Doch. Klar. Warum nicht?«
    »Weil man dieses Bäumchen hätte retten müssen.«
    »Da war nichts mehr zu holen, Junge.«
    »Und jetzt pflanzen Sie einfach einen neuen, als ob nichts gewesen wäre?«
    »So sieht’s aus. Schau doch mal, Junge. Man kann den Unterschied kaum erkennen.«
    Und tatsächlich ist das neue Bäumchen dem alten sehr ähnlich, der Stamm, die Größe, sogar die Gabelung der Äste. Nur dass dieser dicht mit seinen merkwürdigen grünen Blättern bewachsen ist.
    »Aber warum sind Sie nicht früher gekommen, um den alten Baum zu retten?«
    »Der war nicht zu retten, Junge. Diese Bäume wachsen einfach nicht in diesem Boden. Das hier ist schon der dritte oder vierte, den ich hier einsetze.«

Keine Angst Angst. Es es es dauert dauert dauert dauert ja ja ja ja ja nicht nicht nicht nicht nicht nicht allzu allzu allzu allzu allzu allzu allzu lang lang lang lang lang lang lang lang.

Ich merk schon, kein leichtes Publikum, ziemlich anspruchsvoll sogar. Der mit Benjamin und der Frau unter der S-Bahn ist ja nicht so richtig gut angekommen. Und der andere, wo das kleine Mädchen Benjamin hinterherrennt und von dem Auto erwischt wird, hat ehrlich gesagt auch schon mal besser gezündet. Muss dir nicht unangenehm sein. Aber die Luft wird langsam dünn. Soll ich jetzt den erzählen, wo Benjamin seinen kranken Vater nicht bei sich zu Hause aufnehmen will und der sich ein paar Wochen später im Altersheim erhängt? Oder den, wo Benjamin Strandurlaub mit einem Mädchen macht und die mit ihm wettet, wer sich näher an den Strudel traut? Und am Ende schwimmt er allein zurück zum Strand? Nee, das ist alles nichts. Aber warte, einen letzten hab ich noch. Der ist ein echter Brüller. Also. Bereit? Sagt Benjamin: »Ich glaube nicht an andere Menschen. Ich meine: Ich glaube nicht, dass es andere Menschen gibt.« Nein, nur ’n Witz. Jetzt kommt er. Jetzt kommt der richtige. Also, jetzt kommt der eigentliche.

Benjamin
    »Weißt du, es gibt Geschichten, die muss sich das Leben ausdenken. Da gibt es keine Spannungsbögen und keine Moral. Es gibt einfach diese Geschichten, die kann man sich
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