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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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Boshaftigkeit hinzu.
    Spechts ausdrucksloser Blick verriet nicht, ob die Provokation ihr Ziel erreicht und seine Lebensgeister geweckt hatte.
    Das Interview mit dem Stern geriet zur schieren Katastrophe. Specht zögerte und stockte, zeitweise verbarg er sein Gesicht in den Händen, etliche Fragen mußten wiederholt werden, weil er sie nicht verstanden zu haben schien. Gundelach erkannte ihn nicht wieder. Auch die Redakteure waren betroffen.
    So schlimm haben wir uns das nicht vorgestellt, sagten sie beim Abbauen der Mikrofone, als Specht den Raum verlassen hatte. Der Mann ist ja richtig kaputt! Wir schicken Ihnen den Text des Interviews zur Freigabe.
    Schicken Sie mir lieber das, was Sie drumherum schreiben, sagte Gundelach.
    Mittags flog Specht nach Bonn, um an einer Konferenz des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten teilzunehmen. Gundelach telefonierte mit Fraktionschef Deusel und dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt. Er finde es an der Zeit, sagte er, daß die Meinungsführer der CDU aus ihrer Reserve herausträten und Specht eindeutig den Rücken stärkten. Beide versprachen, umgehend zu reagieren. Tatsächlich lief kurz darauf eine Erklärung des Oberbürgermeisters über den Ticker, daß er ›das Kesseltreiben gegen den Ministerpräsidenten unmöglich‹ finde. Gundelach war zufrieden: es war die klare Sprache eines Anteilnehmenden.
    Deusel ließ sich mehr Zeit. Endlich setzte die Deutsche Presseagentur ein längeres Statement ab, dem deutlich anzumerken war, wie mühevoll und rückversichernd daran herumgefeilt worden war. Die Vorwürfe gegen Specht stünden in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen (als ob das jemand behauptet hat, dachte Gundelach), und die Fraktion wehre sich gegen Vorverurteilungen, auch wenn es das gute Recht der Opposition sei, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen. Schließlich eine Art Ehrenerklärung: die Fraktion sei von Spechts Redlichkeit, Unabhängigkeit und persönlicher Integrität überzeugt.
    Wissen Sie, sagte Gundelach zu Raible, der ihm die Meldung brachte, Ehrenerklärungen von Parteifreunden sind sowas wie die letzte politische Ölung. Und selbst für die müssen wir sorgen.
    Nachmittags kam der versprochene Rückruf aus dem Bonner Spiegel-Büro. Es werde erneut an einer größeren Sache gestrickt, teilte der Redakteur mit. Einzelheiten dürfe er natürlich nicht nennen, aber die Geschichte könne ›ziemlich unappetitlich‹ werden.
    Was er unter unappetitlich verstehe, wollte Gundelach wissen.
    Der Redakteur wand sich. Gundelach solle sich nicht so begriffsstutzig stellen, sagte er. Es sei doch klar, worum es gehe. Bangkok, Malaysia und so. Offenbar habe Stierle Reisen organisiert und finanziert, bei denen es ziemlich fidel zugegangen und Specht unter falschem Namen mitgeflogen sei.
    Hört mal, rief Gundelach aufgebracht, jetzt kommen wir an eine Grenze, wo der Spaß endgültig aufhört. Gegen solche Art Journalismus kann man sich nicht mehr politisch, sondern nur noch rechtlich wehren, und das dauert in einer akuten Krise viel zu lange. Ihr habt euch bisher immer an die Spielregel gehalten, das Privatleben eines Politikers in die politische Auseinandersetzung nicht mit reinzuziehen. Warum begebt ihr euch ausgerechnet bei Specht auf diese Ebene?
    Mein Gott, ich weiß auch nicht … Es geistern halt so viele Gerüchte herum. Über Fotos, Tonbänder und –.
    Dann legt die Dinger vor oder vergeßt sie! Ist denn der Spiegel eine Klatschkolumne geworden, verdammt noch mal?
    Na gut, sagte der Redakteur, ich will mich nochmal drum kümmern. Aber versprechen kann ich nichts. Der Specht steckt jedenfalls ganz tief in der Scheiße. Warum ist er auch so unvorsichtig gewesen, Mann! Sich mit all diesen Typen einzulassen –.
    Ich will euch was sagen: Wenn ihr plötzlich anfangt, euch als moralische Anstalt aufzuspielen, dann kotzt mich das an. Da kauf ich mir lieber das ›Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt‹, die sind in diesen Dingen weit kompetenter als ihr. Und im übrigen: Wie war das denn mit Rio und Sao Paolo, wo ihr mir immer erzählt habt, wie toll das dort in den Bars gewesen ist, he? Muß man euch mitnehmen, um euer Schweigen zu erkaufen, oder wie?
    Ist ja gut, ist ja gut! Wir werden schon nichts schreiben, was … Aber die Fakten, wer bezahlt hat und wer dabei war, die können wir nicht unter den Teppich kehren. Da gibt’s ganz eindeutige Belege und Aussagen, auch von Hotelmanagern. Und außerdem recherchieren schon viel zu viele
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