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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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Hotelkosten bezahlt habe.
    Das ließ nur den Schluß zu, daß der Journalist, von dem die Frage am Montag gestellt worden war, bereits die Existenz dieser Reise und die komplette Kostenübernahme durch Stierle gekannt und trotzdem geschwiegen hatte, um Specht ins Messer laufen zu lassen. Das war schlimm, denn es zeigte, daß mehr Wissen bei der Presse angehäuft war, als nach außen sichtbar wurde. Wahrscheinlich waren einige auch schon über die ominöse Fortsetzung der Scheckgeschichte informiert gewesen und hatten darauf gelauert, ob Specht sie während der Pressekonferenz preisgeben würde. Und als er es nicht tat, hüteten sie sich nachzuhaken, setzten sich an die Schreibmaschine und gifteten: Specht hat nicht die volle Wahrheit gesagt. Ein guter Journalist weiß, daß trockenes Holz heller brennt als feuchtes.
    Nicht weniger bedenklich war freilich die Tatsache, daß die genauen Umstände der Wiener Staats-Kunstreise überhaupt nach außen dringen konnten. Schließlich hatten nur ganz wenige, ganz enge Freunde daran teilgenommen. Oder gab die Hotelleitung des Bristol Auskunft darüber, wer vor vier Jahren die Suiten bezahlt hatte? Kaum vorstellbar. Blieb nur die Möglichkeit … na dann, gute Nacht.
    Natürlich waren die Nächte nicht gut. Für Specht sicher nicht, aber auch nicht für Gundelach.
    Wenn er auf der Chaiselongue seines Dienstzimmers lag und zur Decke hochstarrte, hörte er das Rattern der Fernschreiber wie fernes Gewehrfeuer. Auch wenn er sich hundertmal sagte, daß es nur Schlachtviehpreise oder Börsennotierungen von der anderen Seite des Erdballs seien, die da in der Dunkelheit auf die Papierrolle gehämmert wurden, klang es doch immer nach neuen Enthüllungen im Fall Specht.
    Und dann drang da noch ein anderes Geräusch zu ihm, direkt aus dem Boden schien es zu kommen; ein Klopfen und Schaben, als machten sich welche im Hügel zu schaffen, auf dem Monrepos erbaut war. Horchte er dann noch angestrengter, glaubte er sogar, die Herkunft des emsigen Grabens und Wühlens in der Unterwelt, wie Andreas Kurz den Keller einst genannt hatte, zu erkennen: Unter den dahinfliegenden Knaben des Fußbodenmosaiks und dem Sockel der nackten Marmorgöttin zog es sich geradewegs zur Falltür in der Bibliothek und zum Fluchtstollen, der jetzt voll hinterhältigen Partisanentums steckte.
    Eingezwängt zwischen verschlüsselten Signalen aus Vergangenheit und Zukunft, wartete Gundelach auf das späte Heraufdämmern des Morgens. Noch sehnlicher wartete er auf eine wachend-träumende Vogelstimme. Aber es war Winter, eisige Stille lag über dem Park. Wenigstens einen Glasvogel, dachte er, sollte man jetzt haben. Einen hauchdünnen, schillernden Glasvogel, der sich in der Hand wärmen ließ.
    Mittwoch morgen waren die Zeitungen voll wütender Schlagzeilen und zorniger Kommentare. Specht saß noch geduckter an seinem Schreibtisch als tags zuvor.
    Es hat keinen Zweck mehr, sagte er, als Gundelach eintrat. Lassen Sie uns darüber sprechen, wann und wie ich meinen Rücktritt erkläre.
    Ihren Rücktritt können Sie jederzeit erklären, erwiderte Gundelach. Aber Sie werden viele enttäuschen, wenn Sie nicht wenigstens gekämpft haben. Sie sind der dienstälteste Ministerpräsident. Erinnern Sie sich, was Strauß alles überstanden hat. Letztlich ist er jedes Mal gestärkt daraus hervorgegangen, sein Nimbus und seine Popularität sind gewachsen, weil die Leute gesagt haben: Das ist halt ein Kerl, der nicht nur austeilen, sondern auch was einstecken kann.
    Ich glaube nicht, daß ich die Kraft habe, das durchzuhalten.
    Vor Jahren haben Sie einmal gesagt, Sie hätten bisher noch keine große Bewährungsprobe bestehen müssen. Nun, hier ist sie. Wenn Sie das hinter sich bringen, haut Sie nichts mehr um.
    Die CDU –.
    Die CDU ist ein ängstlicher Hühnerhaufen, das weiß man doch. Was rät denn Ihre Frau?
    Meine Frau sagt, ich soll weitermachen. Jetzt erst recht.
    Sehen Sie.
    Aber ich hab die Nerven nicht mehr dazu, Gundelach. Ich bin fertig.
    Gundelach drehte den Kopf zur Seite, weil er das Glitzern in Spechts Augen nicht sehen wollte.
    Lassen Sie uns einen Kompromiß schließen, sagte er hart. Am Samstag wissen wir, was der Spiegel noch auf der Pfanne hat. Für Sonntag ist ohnehin die Klausursitzung des CDU-Präsidiums in Berghoffs Jagdhaus angesetzt. Dann sehen wir klarer, was noch kommen wird und welche Unterstützung Sie haben. Bis dahin sollten Sie auf jeden Fall kämpfen. – Wir tun es ja auch, fügte er mit kalkulierter
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