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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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Leute daran rum. Sagen Sie dem Oskar nen schönen Gruß, und er soll die Ohren anlegen!
    Witzbold!
    Gundelach rief einen bekannten, auf Pressefragen spezialisierten Rechtsanwalt an und bat dringend um eine Unterredung. Sie vereinbarten sich auf Donnerstag vormittag. Vorher sei es beim besten Willen nicht möglich, sagte der Anwalt. Er habe heute noch einen längeren Gerichtstermin. Gundelach hatte aber auch den Eindruck, daß die Andeutung, es gehe um Specht und den Spiegel, den Professor tief durchatmen ließ.
    So, dachte er, als er auflegte. Jetzt bist du also genau so weit wie damals die Breisinger-Mannschaft. Anwälte, Jagd nach Dokumenten, vielleicht Klageandrohungen.
    Weit hast du es gebracht. Einmal im Kreis rum und Ende.
    Donnerstags sah das Pressebild, erstmals wieder seit Tagen, relativ normal und undramatisch aus. Es waren keine neuen Vorwürfe bekannt geworden, die Solidaritätsadressen aus der Partei fanden breiten Abdruck. Die Hamburger Zeit allerdings schrieb: ›Specht am Ende‹. Und Bild titelte: ›Deutschland, deine Nassauer‹. Aber inzwischen war man Schlimmeres gewöhnt.
    Um so erstaunter war Gundelach, Specht in keiner besseren Verfassung anzutreffen als am Tag zuvor. Er überflog sein Presseexemplar nur kurz, dann sagte er:
    Was halten Sie von folgender Idee. Morgen abend ist doch der Neujahrsempfang der Landesregierung. Ich halte eine nette, launige Rede, und am Ende erkläre ich dann meinen Rücktritt. Vor zweitausend Leuten. Von denen verabschiede ich mich gewissermaßen stellvertretend für alle Bürger. Das wäre doch ein würdiger Rahmen, oder?
    Gar nichts halte ich davon, sagte Gundelach und dachte: Langsam hängt mir dieses Theater wirklich zum Hals raus. Wir reißen uns die Beine für ihn aus, und er denkt bloß darüber nach, wie er einen starken Abgang inszenieren kann.
    Und warum nicht?
    Weil die Leute, die morgen kommen, der Meinung sein werden, daß sie zu einem fröhlichen Ereignis eingeladen sind und nicht zu einer Beerdigung. Und da haben sie auch recht.
    Aber es muß ja gar nicht traurig zugehen! Ich sagte doch, ich halte eine launige Rede. Und am Schluß sage ich: Ich bin fröhlich und begeistert in dieses Amt gekommen, Sie haben mich zwölf Jahre lang als engagierten Ministerpräsidenten kennengelernt, der mit den Leuten schwätzt, der die Bodenhaftung nie verloren hat, und deswegen sage ich jetzt in Ihrer Mitte, daß ich aufhören werde, und nicht vor irgendwelchen Millionärszirkeln, mit denen mich gewisse Medien ständig in Verbindung bringen wollen. Der Specht bleibt der Specht, so wie Sie ihn kennen, und darum verabschiedet er sich hier und heute von seinen Bürgern und nirgends sonst!
    Er hat die Rede fertig im Kopf, dachte Gundelach. Ist ja grauenhaft.
    Laut sagte er: Und dann?
    Dann ist Schluß.
    Dann ist eben nicht Schluß. Die CDU wird sich betrogen fühlen, daß Sie sich davonmachen, nachdem man gerade erst von der Spitze bis zur Basis bekräftigt hat, zu Ihnen zu stehen. Ich bin weiß Gott kein Parteihengst, aber ich meine schon, daß die CDU einen Anspruch darauf hat, von ihrem Landesvorsitzenden informiert zu werden, bevor er als Ministerpräsident zurücktritt. Wenn Sie aber zum Beispiel morgen mittag das Präsidium einweihen, ist die Sache eine halbe Stunde später als Eilmeldung auf dem Ticker und anschließend in den Nachrichten. Dann kommen die Leute abends wirklich zu einer Beerdigung, und die wird nicht fröhlich, da können Sie reden wie Sie wollen!
    Specht schwieg. Es war ein unzufriedenes, gekränktes Schweigen.
    Sie haben die Samstagsschlagzeilen, mehr nicht, schob Gundelach nach. Aber das ist kein Kunststück, denn genügend Schlagzeilen macht Ihr Rücktritt allemal. Nur werden diese Schlagzeilen sehr schnell überlagert sein von einer anderen, die in den Nachrichten läuft: Spiegel erhebt neue Anschuldigungen gegen Specht. Und dann sagen die Leute, ach, deswegen ist er gestern abend noch schnell zurückgetreten, das hätte er uns auch gleich sagen können. Da er es nicht getan hat, muß wohl doch was dran sein an den Geschichten. Damit ist auch der letzte Effekt beim Teufel.
    Specht sah seinen Peiniger mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an.
    Was sind das für Geschichten, die der Spiegel bringt?
    Ich weiß nichts Genaues. Es geht um irgendwelche Reisen mit Stierle nach Fernost. Ich habe Rechtsanwalt Professor Tetzel auf heute vormittag bestellt, um die rechtliche Seite mit ihm zu beraten.
    Schwerfällig stand Specht auf und trat ans
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