Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
Fenster. Seine Schultern zuckten. Gundelach wollte gehen.
    Bleiben Sie, sagte er tonlos und drehte sich um.
    Es hat doch keinen Zweck. Die wissen doch alles!
    Was? wollte Gundelach fragen. Was wissen die alles? Er brachte es nicht über sich.
    Ich bleibe bei meinem Vorschlag, sagte er. Wir warten erst mal ab, was der Spiegel bringt. Vielleicht kommt es gar nicht so dick. Die wissen, daß sie vorsichtig sein müssen mit dem, was sie behaupten. Und wenn Ihnen die CDU-Führung danach wieder das Vertrauen ausspricht und die nächste Woche einigermaßen gut vorübergeht, machen Sie Urlaub. Schlicht und einfach Urlaub. Weit weg, mit Ihrer Familie. Und lesen einfach mal keine Zeitungen.
    Sie haben vielleicht Vorstellungen! murmelte Specht.
    Um elf Uhr kam Rechtsanwalt Professor Dr. Tetzel, ein Herr mit feinen, vergeistigten Gesichtszügen und sorgfältig gestutztem Bart. Vorsichtshalber trug er den Presserechts-Kommentar, den er selbst verfaßt hatte, mit sich.
    Sie haben’s gut, begrüßte ihn Gundelach. Wenn Sie in Ihrem Werk nachschlagen, hilft es Ihnen wenigstens!
    Tetzel lächelte unsicher.
    Gundelach unterrichtete ihn kurz über seine Informationen aus dem Bonner Spiegel-Büro und sagte, ihn interessiere vor allem die Frage, wie weit der Schutz der Intimsphäre im Falle eines Politikers reiche. Es könne doch nicht angehen, meinte er, daß das Grundrecht der Pressefreiheit auch zu einer Einschränkung des grundgesetzlich ebenso geschützten Persönlichkeitsrechts eines Politikers führen dürfe. Irgendwo müsse doch eine Grenze sein, an der auch bei einer sogenannten Person der Zeitgeschichte das öffentliche Interesse ende und der Privatbereich beginne.
    Tetzel seufzte und erwiderte erwartungsgemäß, so einfach wäre das alles nicht. Die Meinungs- und Pressefreiheit sei ein überragendes Rechtsgut, und gerade ein Politiker begebe sich bewußt und im übrigen freiwillig in eine Sphäre, die besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit unterliege. Was die Politiker, solange sie Nutzen davon hätten, ja auch gerne in Anspruch nähmen. Natürlich müßten alle Vorwürfe, die ein Presseorgan erhebe, wahr und nachweisbar sein, und gerade wenn es sich um irgendwelche ›Schmuddelgeschichten‹ handle, würden bei einer eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzung hohe Anforderungen an die Beweispflicht gestellt. Aber, kurz und gut, eine Rechtsprechung, wonach das öffentliche Interesse quasi automatisch vor dem Schlafzimmer eines Politikers haltzumachen habe, gebe es nicht. Er sehe deshalb wenig Chancen, die Veröffentlichung des Spiegel-Artikels durch eine einstweilige Verfügung zu unterbinden. Zumal Gundelach noch gar nicht genau wisse, welchen Inhalts die neuerlichen Vorwürfe seien, deren Unterlassung man bei einem gerichtlichen Antrag fordern müßte.
    Es gehe ihm nicht um eine einstweilige Verfügung, sagte Gundelach, sondern um den Versuch, nachzuvollziehen, welche Ratschläge die Justitiare des Spiegel der Redaktion erteilten, um die Sache gerichtsfest zu machen. Daraus ließen sich vielleicht Rückschlüsse auf den Konkretisierungsgrad der zu erwartenden Verdächtigungen ziehen. Und weil die Hamburger Juristen im Zweifel auch den Kommentar zu Rate zögen, dessen Verfasser jetzt gerade vor ihm sitze, erhöhe sich die Chance einer treffsicheren Prognose.
    Tetzel lächelte geschmeichelt und meinte, nach seiner Überzeugung werde in dem Artikel mehr zwischen den Zeilen stehen als Definitives behauptet werden. Auch Wertungen, welche in die Nähe einer Verleumdung rückten, würden die Verfasser sicher sorgfältig vermeiden. Dazwischen allerdings gebe es für gute Schreiber ein weites Feld nichtjustitiabler Andeutungen, und auf diese Kunst verstehe sich der Spiegel bekanntermaßen vorzüglich.
    In diesem Punkt, sagte Gundelach, sind wir einer Meinung.
    Noch während sie diskutierten, wurde er dringend am Telefon verlangt. Der Redakteur, dessen Artikel den Stein ins Rollen gebracht hatte, konfrontierte ihn mit der Behauptung, es gebe sichere Hinweise, daß Specht entgegen seinen bisherigen Angaben auch die Kanadareise mit dem Ehepaar Kiefer im Jahr 1984 nicht selbst bezahlt habe. Zumindest die Flugkosten seien von Daimler Benz übernommen worden. Ob Gundelach diese Meldung, die er jetzt über den Rundfunk absetzen wolle, bestätige oder dementiere.
    Ich bestätige oder dementiere gar nichts, sagte Gundelach. Wer ist Ihr Informant?
    Na, hören Sie, entgegnete der Journalist. Das fällt unter den Informantenschutz. Wissen Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher