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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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großen Gruppen – ein ernstes, todesgeschäftiges Hin- und Hergerenne setzte ein, dem Gundelach, sofern er nicht ausdrücklich zitiert wurde, demonstrativ fernblieb.
    Spät am Nachmittag traf auch Spechts Familie ein, und nun geriet das politische Krankenlager endgültig zur Intensivstation. Lange mußten die Angehörigen in Spechts Vorzimmer warten, während die Mitglieder des Consiliums teilnehmend-abwesenden Blickes vorüberhasteten. Bis Frau Specht der Kragen platzte und sie, resolut die Zigarette ausdrückend, rief: Was ist hier eigentlich los? Darf man schon nicht mal mehr rein zu ihm?
    Dies, fand Gundelach, war der erste normale Satz, den er seit Stunden gehört hatte. Er fragte Frau Specht nach ihrer Meinung.
    Wegen so etwas tritt man nicht zurück, sagte sie. Das macht man unter sich aus.
    Tief in der Nacht verkündete Oskar Specht endlich als entschieden, was in seinem Innern längst entschieden war, und diktierte mit einem Satz sein Rücktrittsschreiben an den Landtagspräsidenten.
    Gundelach befand sich zu dieser Zeit bereits in seinem Büro, um persönliche Sachen auszuräumen.
    Am Sonntag, den 13. Januar, flogen sie mit einem Polizeihubschrauber ins verschneite Allgäu, direkt vor Berghoffs Hotel. Das Fernsehen war da und filmte die Ankunft der Landespolitiker, die dem CDU-Präsidium angehörten. Wie es sich gehörte, verweigerten sie jede Stellungnahme. Berghoff empfing sie im feschen Trachtenanzug mit trauriger Miene und geleitete sie in einen kleinen Tagungsraum. Derweil lud Raible in der Landeshauptstadt die Presse auf achtzehn Uhr in den Kabinettssaal des Schlosses Monrepos.
    Specht teilte seinen Entschluß zurückzutreten mit und begründete ihn vor allem mit den im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen. Die Auseinandersetzungen um seine Person, sagte er, könnten sich noch monatelang hinziehen und die Partei an einem wirkungsvollen, sachbezogenen Kampf gegen den politischen Gegner hindern. Das wolle und dürfe er der Partei nicht abverlangen, auch wenn er sich persönlich nichts vorzuwerfen hätte außer der Tatsache, bei Dr. Mohr einem falschen Freund aufgesessen zu sein. Er könne sich nach seinem Rücktritt wesentlich freier und unbelasteter dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren widmen, und er sage jetzt schon voraus, daß das Ganze ein großer Flop und die Opposition keinerlei Gewinn daraus ziehen werde. Im übrigen habe er gerade in den letzten Tagen von vielen Parteifreunden große Unterstützung erfahren, für die er sich bedanken wolle.
    Kaum hatte Specht geendet, ergriff Fraktionschef Deusel das Wort. Mit bewegter Stimme versicherte er, wie schmerzlich Spechts Rücktritt für ihn persönlich, für das Präsidium, den Vorstand und die ganze Partei wäre. Man respektiere die Entscheidung, aber man hätte, das wolle er deutlich unterstreichen, auch jede andere Entscheidung in voller Solidarität mitgetragen. Spechts Rücktritt als Ministerpräsident bedeute einen herben Verlust für die Bundes- und Landespolitik und für die gesamte Union, und er wolle Oskar Specht heute schon bitten, der Partei auch weiterhin mit seiner großen Erfahrung zur Verfügung zu stehen.
    Danach würdigte Deusel in gerafftem Überblick Spechts Verdienste, und Gundelach konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich der Fraktionsvorsitzende auf dem Weg ins Allgäu sorgfältig für diesen Auftritt präpariert hatte. Allerdings wurde seine Konzentration auf die schöne, flüssige und zu Herzen gehende Lobrede durch scharrende Geräusche beeinträchtigt, die Deusels Füße unterm Tisch vollführten.
    In ähnlichem Sinne, wenn auch weniger ausgefeilt, äußerten sich die anderen Präsidiumsmitglieder. Spechts sorgenzerfurchte Stirn glättete sich zusehends. Fast heiter und gelöst bedankte er sich und erklärte, selbstverständlich auch künftig seine Parteiämter aktiv wahrnehmen und die CDU tatkräftig unterstützen zu wollen.
    Dann gab er zu Protokoll, wie er sich den Übergang auf seinen Nachfolger vorstelle: Es werde jetzt furchtbar viel spekuliert werden, aber davon dürfe man sich nicht irritieren lassen. Er schlage vor, ›in aller Ruhe‹ den Meinungsbildungsprozeß in Fraktion und Partei abzuwarten und dann, so etwa in zwei Wochen, über die Nachfolge zu entscheiden. Bis dahin werde Reiser als stellvertretender Ministerpräsident die Geschäfte führen. Ein solches Verfahren werde der Bevölkerung zeigen, daß es sich bei dem Amtswechsel um einen ganz normalen, undramatischen Vorgang handle,
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