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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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Ministerpräsidenten ab und zu mit Firmenmaschinen zu dienstlichen Anlässen fliegen, das steht nun wirklich hundertprozentig fest. Das weiß er aus vielen Gesprächen, und immer wieder mal trifft er auf irgendeinem Rollfeld einen Kollegen, der gerade aus dem Lear-Jet eines Konzerns krabbelt. Von Franz Josef Strauß selig gar nicht zu reden!
    Die Erwähnung dieses Namens lockert die Stimmung spürbar, das Eintreffen des Ehepaares Kiefer noch mehr. Man geht von Kaffee zu Wein über, die Siegeszuversicht steigt.
    Gundelach und Raible verabschiedeten sich bald, um auf Monrepos die Pressekonferenz im Detail vorzubereiten.
    Am Montag war die Bibliothek lange vor Beginn der Pressekonferenz um vierzehn Uhr zum Bersten gefüllt. An die hundert Journalisten drängten sich in dem Raum, ein Dutzend Kameras war aufgebaut. Der Tisch, an dem Specht Platz nehmen würde, war schwarz und grau vor Mikrofonen. Gundelach erschienen die im Halbrund postierten Kameras wie Maschinengewehre, die Mikrofonständer wie Bajonette: bereit, auf Kommando zu schießen, aufgepflanzt um zuzustechen.
    Seit Breisingers Rücktritt hatte er solch eine Szenerie nicht mehr gesehen. Damals hatte er auf der Wendeltreppe gestanden und aus sicherer Entfernung auf einen Gescheiterten heruntergeblickt. Jetzt saß er neben ihm und mußte sein Schicksal teilen. Und doch verließ ihn das Gefühl nicht, daß die Distanz zu Handlung und Hauptdarsteller vor zwölf Jahren geringer gewesen war als heute.
    Anderthalb Stunden redete Oskar Specht. Es gelang ihm, manches plausibel darzulegen, anderes mit Emotionen zu füllen und insgesamt den Eindruck zu erwecken, hier und heute werde reiner Tisch gemacht. Die Mehrzahl der Zuhörer schien gewillt, Spechts Versicherung, er habe von Mohrs Machenschaften nicht das geringste gewußt, Glauben zu schenken. Papiere und Kopien selbstbezahlter Rechnungen und privater Korrespondenz, die Specht immer wieder zum Beweis in die Höhe hob, verfehlten ihre Wirkung nicht. So kannte man Oskar Specht oder so hatte man ihn kennen wollen: Fakten präsentierend, mit Zahlen und Daten jonglierend, überzeugend, auch wenn die Zahlen vielleicht nicht ohne weiteres einzusehen und die Fakten in ihrer komplizierten Verknüpfung nur für den Augenblick einleuchtend waren. Das Muster verfing noch immer.
    Als Specht allerdings die Kopie des Schecks über 5470 Mark vorzeigte und die Kameras gewitterartig klickten, stockte Gundelach der Atem. Er wußte: Das ist ein Foto, an dem alles festgemacht werden kann. Das Bild mit der größten Symbolkraft: Specht mit Scheck. Alle Vorwürfe gipfelten in dieser Geste, und ebenso Spechts Glaubwürdigkeit, bezahlt zu haben was vereinbart gewesen und noch zu begleichen, was der Anstand jetzt forderte. Und gerade dieser Scheck trug den Makel des Unerklärten, Verschwiegenen! Ausgerechnet diese Botschaft konnte Dr. Mohr, wenn er nur wollte, wenn die Enttäuschung über mangelnde Hilfeleistungen seines ehemaligen Freundes nur heftig genug brannte, mit einer Indiskretion zunichte machen! Wußte Specht, worauf er sich einließ?
    Er wußte es nicht. Er war schon wieder weiter. Mit belegter, zitternder Stimme berichtete er von seiner ›unglaublichen Betroffenheit‹, daß nun auch seine Familie, seine Kinder in den Schmutz der Verdächtigungen mit hineingezogen würden. Das treffe ihn hart und habe ihn sogar an Rücktritt denken lassen. Aber weil Rücktritt nach Schuldeingeständnis aussehe, werde er kämpfen.
    Der Specht ist nicht käuflich, der Specht ist nicht bestechlich! rief er, am Rande der Erschöpfung. Noch eine kurze Fragerunde, dann schloß Gundelach die Pressekonferenz.
    Als er Specht am Dienstag morgen in seinem Amtszimmer aufsuchte, um mit ihm die Reaktion der Medien zu besprechen, wie sie sich im Kommentarteil des umfänglichen Pressespiegels darstellte, fand er Specht vornüber gebeugt und apathisch am Schreibtisch sitzen. Die Blätter des Pressespiegels lagen verstreut auf der rotbraunen Tischplatte. (Es ist immer noch die von Knoll International, dachte Gundelach unwillkürlich. Also, insoweit kann man ihm wirklich keine Verschwendungssucht vorwerfen. Jean Tramp hat inzwischen bestimmt dreimal das Mobiliar gewechselt).
    Und? fragte Specht.
    Insgesamt nicht schlecht. Die Fakten sind rübergekommen, niemand erhebt einen strafrechtlich relevanten Vorwurf. Die Ankündigung, alles zurückzuzahlen, schafft einen gewissen Goodwill. Mehr war nicht zu erwarten.
    Specht schwieg.
    Natürlich bleibt was hängen. Das muß
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