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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe
Autoren: P.J. Tracy
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und Roadrunner hinten lassen müssen. Sie überlegte kurz, dann holte sie tief Luft und eilte hinüber in die Küche.
    Dort war alles leer und still.
    Grace schaute aus dem Fenster und sah eine vertraute Gestalt, die rasch von Deckung zu Deckung eilte. John Smith, pensionierter FBI -Agent und Patriot …
    «Ach, John», flüsterte sie. Sosehr sie ihn für seinen Mut liebte, sie hasste ihn auch dafür: Er wusste ja gar nicht, wie das ging.

    Schon viel zu oft in ihrem Leben hatte Grace das Herz auf diese Weise in der Brust gehämmert, doch bisher immer aus Angst um ihr eigenes Wohl. Diesmal war es anders. Diesmal hatte sie Angst um jemand anderen, jemanden, den sie liebte, und das veränderte alles.
    Hals über Kopf rannte sie mitten hinein in den Wald, Johns Fußspuren nach, und die frostbedeckten Zweige knackten um sie herum.
    Viel zu laut
, dachte sie und lauschte ihren eigenen schweren Atemzügen in der eisigen Luft, dem Knacken ihrer Schritte auf dem gefrorenen Boden. Das war nicht mehr die alte Grace MacBride, die mit angehaltenem Atem um die Ecken geschlichen war, deren Schritte keinen Laut verursacht hatten. Sie hielt nicht mehr nach möglichen Gefahren Ausschau, fürchtete sich nicht einmal davor – sie rannte einfach blindlings etwas Wichtigem hinterher.
    Vor sich hörte sie eine neue Maschinengewehrsalve, blieb aber trotzdem nicht stehen. Und dann, kurz vor einer Anhöhe, die ihr die Sicht verstellte, sah sie, dass Johns Spuren schleppender wurden, und gleich darauf entdeckte sie rote Tropfen im weißen Schnee.
    Jetzt hielt sie doch inne, musterte die Tropfen und dachte:
Cherries in the Snow
. Der Schminktisch einer ihrer vielen, vielen Pflegemütter stand ihr plötzlich wieder vor Augen, der goldene Lippenstift mit dem farbigen Deckel, der aussah wie eine Kugel Erdbeereis. Damals hatte sie Lippenstift noch nicht gemocht, nicht einmal begriffen, wozu er gut sein sollte, doch unter dem goldenen Stift klebte ein kleines weißes Schild, das die Farbe als «Cherries in the Snow» auswies, und Grace hatte den Namen wunderschön gefunden.
    Jetzt allerdings war daran nichts Schönes mehr. Die Schüsse waren verstummt, aber wahrscheinlich wäre auch das egal gewesen. Grace nahm nichts mehr um sich herum wahr, sie war voll und ganz erfüllt von jenem Teil ihres Verstands, der genau wusste, der zutiefst fürchtete, was sie hinter diesem kleinen Hügel im Wald finden würde.
    Seltsam, dachte sie, dass ihre Beine nach dem Lauf durch den Wald überhaupt nicht müde waren – einfach nur steif, so als hätte sie Holzklötze an den Füßen. In ihren bleiernen Bewegungen lag keine Anmut mehr.
    Ein Schritt, ein zweiter, ein dritter, dann war sie oben auf der Anhöhe und blickte hinunter. Einen Augenblick, vielleicht auch zwei, blieb sie ganz reglos, spürte ihre eigenen tiefen Atemzüge, während die Kälte aus dem Schnee langsam in sie hineinkroch, durch die Stiefel hindurch und Zentimeter für Zentimeter den Körper hinauf in ihr Gesicht, bis jeder einzelne Nerv erstorben war. Da war so viel Blut. Zu viel, als dass noch Leben möglich war.
    Ich muss da nicht runter. Ich brauche die Realität nicht aus der Nähe zu sehen, um zu wissen, dass sie real ist.
    Doch erstaunlicherweise bewegten sich ihre erstarrten Beine ganz gegen ihren Willen und trugen sie hin zu dem, was sie nicht sehen wollte. John lag mit dem Gesicht im Schnee, sie erkannte ihn nur an seinen Kleidern und dem langen grauen Pferdeschwanz, der zur Seite gefallen war und das vergossene Blut aufsog, wie um es wieder zurückzuleiten in den reglosen, totenstillen Körper.
    Wie ferngesteuert kniete Grace nieder, zog die Handschuhe aus und legte zwei Finger dorthin, wo die Halsschlagader hätte pochen müssen. Lange hoffte sie auf den Puls, der nie wieder schlagen würde, dann stand sie auf und warf mit starrer, ausdrucksloser Miene einen letzten Blick auf den Toten. So zahlreich und heftig waren die Gefühle, dass es ihr vorkam, als empfände sie gar nichts.
    Sie sah John wieder vor sich, sicher und breitbeinig auf dem Teakholz-Deck seines Bootes, wie er in die karibische Sonne blinzelte und die Flagge einholte. Sein alberner Pferdeschwanz flatterte im Abendwind.
    Das war John. Daran wollte sie sich erinnern.

KAPITEL 50
    F ast zwei Stunden lagen Gino und Magozzi jetzt schon reglos auf dem Bauch. Die Sonne war fast untergegangen, und ringsherum zog die klirrende Kälte der Nacht heran.
    Gino fand den Einsatz fast so langweilig wie eine Beschattung – eigentlich
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