Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe
Autoren: P.J. Tracy
Vom Netzwerk:
eine Rechnung zu begleichen, die Ehre wiederherzustellen. Noch einmal dachte er an die Ermahnung des Chiefs, ausschließlich zur Selbstverteidigung zu schießen, aber er dachte auch daran, dass der Chief gesagt hatte, die Eindringlinge würden mit einiger Sicherheit aus Somalia stammen.
    Moose spannte den Bogen das letzte entscheidende Stückchen, und um seine zusammengepressten Lippen spielte ein leises Lächeln.
Dreh dich um
, befahl er dem Mann im Stillen, doch der reagierte nicht und entfernte sich immer weiter.
    Moose fuhr mit der Sohle seines Wildlederstiefels über die Planken des Ausgucks und machte absichtlich ein scharrendes Geräusch; trockene Fichtennadeln zerbröselten unter seinem Fuß und rieselten auf den Waldboden hinab. Der Schatten-Mann fuhr herum und brachte seine Waffe in Anschlag, feuerte aber nicht.
So was Blödes
, dachte Moose und scharrte noch einmal mit dem Fuß, damit der Mann zumindest die Richtung seines Ziels ausmachen konnte. Endlich feuerte er eine Salve aus seiner AK -47 auf die Baumwipfel ab und schreckte damit eine Eule auf. Moose nickte dem davonfliegenden Nachtvogel respektvoll zu, dann ließ er seinen Pfeil fliegen.
    Sssst!
Der Pfeil traf den Mann mitten ins Herz, und er sackte in sich zusammen, das Blut rot auf dem Schnee.
    Langsam atmete Moose wieder aus. Ein guter Todesschuss, der dem Leben des fremden Kriegers Respekt zollte, auch wenn er ein beschissener Somalier war. Und vor allem brachte er den Krieg endlich in Gang.

    Einen halben Kilometer von Moose entfernt kauerte Eugene Thunderhawk auf seinem eigenen Ausguck und hörte den ersten Schuss, dem gleich darauf mehrere Maschinenpistolensalven aus verschiedenen Richtungen folgten. Keiner seiner Gefährten. Die schossen erst, wenn sie ein Ziel im Visier hatten, und dann selten mehr als einmal. Automatisches Feuer war etwas für Amateure.
    Eugene hielt nicht viel von Schusswaffen. Er hatte zwar ein Gewehr mit Zielfernrohr bei sich, doch der Ehrlichkeit halber musste man sagen, dass er ein verflixt schlechter Schütze war. Gleich nach dem 11. September hatte er sich als Scharfschütze in Afghanistan verdingt, sich seit seiner Rückkehr aber nur noch mit Computerformularen herumgeschlagen und Jahre damit verschwendet, die Bücher des Stammes auf dem Laufenden zu halten, bis eine fortschreitende Makuladegeneration seine Sehfähigkeit beeinträchtigte. Richtig gut konnte er inzwischen nur noch mit dem Messer umgehen.
    Im sicheren Hort derselben Schule, wo seine Vorfahren noch in die beengenden Kleider der Weißen gezwungen worden waren und man ihnen verboten hatte, ihre eigene Sprache zu sprechen, hatte er einen weißen Lehrer einmal sagen hören, dass alle Kriege rasch beendet wären, würden die Menschen zum Kampf Mann gegen Mann zurückkehren. Er hatte das ohnehin nie so recht begriffen. Ein Indianer trat seinem Feind im Kampf gegenüber und zollte dem Leben Respekt, indem er dem Mann, den er tötete, in die Augen sah. Wie sonst sollte die Ehre gewahrt bleiben? Aus der Ferne zu töten war ebenso unvorstellbar wie feige, und in Eugenes ganz speziellem Fall, mit seiner verminderten Sehfähigkeit, auch noch unverantwortlich. Er musste ganz nah heran, um sicher zu sein, dass er den Feind tötete und nicht einen seiner Brüder. Daher das Messer.
    Er überlegte, wie viele Krieger jetzt wohl in den Bäumen kauerten und ihre Waffen direkt auf die Nichtsahnenden gerichtet hielten, die unter ihnen dahinschlichen. Ganz gerecht war das ja nicht, es war, als würde man auf nichtsahnende Fische in einem Wasserfass schießen. Dazu war Eugene weder fähig noch bereit. Er würde diesen verabscheuungswürdigen Kerlen, die das Leben nicht ehrten, von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten und ihnen sanft, aber voller Freude die Kehle durchschneiden.
    Er war nur ein einfacher Buchhalter mit einer dicken Brille auf der Nase, doch sein Augenmaß stimmte, als er sich auf den Mann unter seinem Ausguck herabfallen ließ und ihm die Kehle durchschnitt. Das Blut floss ihm als roter Strom über die Hand. Eugene wischte die Todesflüssigkeit mit etwas Schnee wieder ab. Keine Sekunde später hörte er eine Gewehrsalve und spürte den heißen Schmerz am Rücken, zwischen den Schulterblättern. Noch im Fallen, mit dem letzten Schlag seines zerfetzten Herzens, überließ er sich dem, was vor ihm lag. Es war mit Sicherheit besser als das Dasein als Buchhalter.

KAPITEL 49
    E s war nur eine kurze Salve, ein ganzes Stück von der Jagdhütte entfernt, doch der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher