Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondsplitter

Mondsplitter

Titel: Mondsplitter
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
tun als warten. Nicht, daß das etwas ausgemacht hätte: Die Ereignisse entwickelten sich zu rasch, um sie noch zu analysieren, verschwammen, flossen zu einem chaotischen Strom aus verstreuten Bildern und physikalischen Kräften und schierem Entsetzen zusammen. Alles hing davon ab, ob sie den Winkel gut genug hinbekommen hatten und ob die Unterseite des Possums flach genug war.
    Carpenter saß angeschnallt auf seinem Platz. Jetzt, wo es nichts mehr zu tun gab, hatte er sich in einen inneren Winkel zurückgezogen, um den Ausgang abzuwarten.
    Fragen, Forderungen nach Informationen prasselten im Interkom. Die Briten, die Russen, die Japaner, sogar diese unmögliche Frau, wie hieß sie noch gleich, Tory Clark, die sicher und bequem auf Skyport saß: »Haben wir es geschafft? Wie sieht unser Status aus?«
    »Regenbogen, sind Sie noch da?«
    Wie sieht unser Status aus?
    Ein leises Murmeln setzte ein. Windstöße fegten aus dem Nichts heran und schaukelten die Mabry. Die Schotten knarrten, und die Windstöße explodierten zu einem Orkan. Feinberg wurde heftig gegen die Gurte geschleudert. Die Kabine kippte und schlingerte. Schon spürte er, wie die Temperatur stieg.
    Das dauerte fast eine volle Minute, ehe die Pilotin das Schiff wieder in einen Zustand brachte, der als kontrolliert durchgehen konnte. »Wir sind vom Felsen weggeweht worden«, gab sie über die Bordsprechanlage bekannt. Als wäre das nicht offensichtlich gewesen!
    Feinberg wartete, bis sich sein Magen wieder beruhigt hatte, und öffnete den allgemeinen Kanal. »Hier ist Regenbogen«, sagte er. »Wir schätzen gerade die Lage ein.« Und er lachte. Brüllte förmlich über den eigenen Scherz. Ja, gebt mir zwei Minuten, und ich sage euch genau, wie wir abschneiden.
    Der Sturm hämmerte weiter auf sie ein. Etwas, ein Stück Felsen, vielleicht ein Stück vom Schiff, klapperte an den Rumpf.
     
     
Skyport, Orbitallabor, 4 Uhr 55
     
    Niemand traute sich, etwas zu sagen. Tory verfolgte jedoch, wie der Possum durch das Sonnenlicht herunterkam und Richtung Atlantik hinabsank. Das Meer breitete sich dunkel und ewig hinter den Lichttümpeln aus, die die Südostküste der USA kennzeichneten.
    Der Felsen glitt allmählich in die Nacht hinüber.
    Sie sah, wie erst eine der beiden verbliebenen Stationsfähren vom Possum wegpurzelte, dann die andere. Der Brocken drehte sich immer noch um die eigene Achse, eingehüllt von Flammen. Er zog eine Rauchfahne hinter sich her.
    Die Rauchfahne funkelte im roten Licht. Aber ihre abwärts gerichtete Krümmung wurde jetzt flacher!
    Ein Meer aus Luft hatte sich unter dem Possum gebildet. Eine Barriere.
    Allmählich geriet der Felsen ins Schleudern.
    Wie ein Kieselstein, der über einen Teich hüpft.
    Feurige Teilchen wehten von ihm weg. Einige regneten vom Himmel; andere stiegen wieder ins Sonnenlicht auf.
    Wie die Ranger.
     
     
Percival Lowell, Ausrüstungsdeck, 4 Uhr 56
     
    Charlie Haskell brachte es nicht mehr über sich, die Bilder weiter anzusehen. Die Lowell schüttelte sich, als würde sie in Stücke platzen, und das Tosen der Triebwerke schien lauter geworden. Rachel versuchte es immer noch, dachte er, setzte immer noch das nukleare Feuer gegen die gewaltige tote Last des Possums, versuchte sie aus der Atmosphäre zu heben, sie von der empfindsamen Erdoberfläche wegzuheben.
    Die Stimmenflut, die bei der Einsatzleitung nach Statusmeldungen fragte, war zum hintergründigen Rauschen herabgesunken. Wenn Feinberg nicht mit einer substantiellen Antwort reagierte, dann konnte es nur daran liegen, daß er nichts Neues zu sagen hatte. Sie hatten getan, was sie konnten, hatten die Flotte der Welt mit geballter Kraft in die Waagschale geworfen. Und es hatte nicht gereicht.
    POTIM-38 rumpelte über den Himmel, und Charlie fuhr auf ihm mit, er und über dreißig andere, wie Slim Pickens, der in dem alten Film auf einer Wasserstoffbombe ins Ziel geritten war.
    Tot.
    Sie waren alle tot, und die Welt mit ihnen.
    Charlie neigte normalerweise zu einem optimistischen Standpunkt. Falls er in diesem Fall aufgegeben und gefolgert hatte, alles wäre verloren, so war das leicht zu verstehen: Die Percival Lowell war von Flammen umhüllt und rüttelte an allen Nähten; Feinbergs meckerndes Lachen drang aus dem Kommandokanal; und Charlie spürte plötzlich wieder den Zug der Schwerkraft, nach langer Zeit in der Schwerelosigkeit.
    Daß die letztgenannte Tatsache ein gutes Zeichen war und auf einen Kurswechsel des Felsbrockens hindeutete, kam ihm nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher