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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition)
Autoren: Jasper Sand
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schaute an sich hinab, ließ Pfeil
und Bogen fallen. „Ja ...“, sagte er und wollte auflachen, doch es klang
kläglich. „Ja, natürlich. Djergil hat einfach so ... einfach so auf dich
geschossen.“
    Kastja schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Ausgerechnet Djergil“, seufzte er „Ich habe gefühlt, dass irgendwo ein
Verräter in unseren eigenen Reihen ist. Ausgerechnet Djergil ...“ Er fasste sich
nachdenklich an die Schulter, Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. „Den
Jungen habe ich nicht getötet. Wegen des Pfeils in meiner Schulter konnte er
entfliehen.“ Kastja sah angeschlagen aus, angeschlagen und alt. „Lange haben
wir keine Mondschwinge mehr entdeckt, und nun, da es endlich so weit war, muss
ein Verräter dazwischenkommen.“
    Er lief den schmalen Weg entlang, den Zelten entgegen, wo die meisten Sternenjäger schon
schliefen. „Ich hatte gedacht, ich könnte ihm auch ohne euch den Garaus machen,
schließlich war der Junge keine vierzehn Winter alt. Wer hätte schon ahnen
können, dass ein Verräter unserer Beute das Leben schenkt?“
    Rubens folgte ihm und legte Kastja die Hand
auf die Schulter. Er wollte dabei stark und freundschaftlich wirken, aber in
Wahrheit zitterte er am ganzen Leib. „Der Frostkönig wird nicht dulden, dass
wir den Jungen auf der Burg töten. Doch er ist jung, wir können ihm noch oft
genug auflauern. Wir haben alle Zeit der Welt.“
    Kastja nickte. „Das haben wir wohl“,
wisperte er, legte seine Hand auf die von Rubens und blieb stehen. „Ich werde
alt, glaube ich. Vor ein paar Jahren hätte ich den Jungen noch bekommen. Auch
mit einem Pfeil in der Schulter. Ich merke, wie ich schwächer werde und du
weißt genauso gut wie ich, dass ein schwacher König kein guter König ist. Du
musst wissen“, flüsterte er und beugte sich noch weiter zu Rubens „dass ich mir
in der letzten Zeit einige Gedanken gemacht habe.   Ich weiß, dass ich nicht mehr lange über die
Sternenjäger herrschen kann. Ich bin zu alt, zu schwach, ich ringe zu oft nach
Atem. Schon oft habe ich mir Gedanken über meinen Nachfolger gemacht. Es musste
jemand sein, das wusste ich, dem ich vertrauen kann.“ Kastja fasste Rubens an
den Oberarmen und schüttelte ihn, als müsse er ihn aufwecken, um die nächsten
dramatischen Worte zu verkünden. „Ich“, sagte er „habe mich dazu entschieden,
dass du es sein sollst, der mich ablöst. Du, Rubens, wirst der neue
Sternenjägerkönig sein.“
    Rubens wich zurück. Er war ein Sternenjäger
wie jeder andere, ein Verbündeter, mehr nicht.   Er war kein Gleichgestellter, kein Verwandter, kein Sohn.
    „Aber ... ich meine ... was ist mit Thijs?
Dein Sohn? Er wird ... regieren wollen.“
    Kastja winkte ab, lächelte freudlos.
„Vielleicht ist er mein Sohn, doch ein Sternenjäger ist er nicht, das war er
noch nie. Die Menschen sehen ihn ohnehin als verweichlicht an und ich kann es
ihnen nicht verübeln, das muss ich sagen. Er ist zu unentschlossen, zu feige,
zu emotional.“ Kastja wirkte betrübt, ein Schatten zog über sein Gesicht.
    „Aber die Leute“, Rubens s chnappte
nach Luft, „sie werden nicht wollen, dass ich herrsche. Es ist nicht richtig
... du hast einen Sohn, Kastja, einen Sohn!“
    Kastja spuckte aus und wandte sich von
Rubens ab, als hätte er ihn beleidigt. „Merkst du nicht, wie all die
Sternenjäger, alle Männer und Frauen, die Nase rümpfen, wenn sie über ihn
sprechen? Thijs lässt sich kaum sehen, war erst dreimal auf der Jagd und hat es
vor all den Menschen ... hat es vor all den Menschen nicht fertig gebracht,
eine Mondschwinge zu demütigen.“
    Rubens konnte sich noch gut erinnern. An
den jungen Thijs mit den dünnen Armen, als er das Schwert gehoben und mit
großen Augen auf die Opfer herabgesehen hatte. Er sollte eine der Mondschwingen
töten, die man im Thojsund-Gebirge aufgesammelt hatte, alle Menschen hatten auf
ihn gestarrt und gewartet. „Spuck ihm ins Gesicht, wenn du ihn schon nicht
töten kannst“, hatte Kastja ihm zugerufen. Stattdessen hatte der Junge die
Waffe fallen lassen und war davongerannt.
    Es war einer jener Momente gewesen, in
denen Rubens seinen König gehasst hatte.
    „Seitdem habe ich kaum ein Wort mehr mit
ihm gesprochen.“ Kastja fuhr sich über die Stirn, schüttelte den Kopf, als
wolle er die Erinnerung vertreiben. „Kein einziges Mal habe ich an meiner
Entscheidung gezweifelt, Rubens. Du sollst König werden, du sollst über die
Sternenjäger herrschen.“
    Rubens sagte nichts. Das Herz
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