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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition)
Autoren: Jasper Sand
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Der Jäger schnappte Linus am Fuß und zog ihn herunter. Linus verlor das
Gleichgewicht und fiel. Merkwürdig verdreht kam er auf dem Boden auf.
    Kastja stand über ihm und drückte ihm den
Stiefel auf die Brust. Aus. Vorbei.
    „Verdammte Elster.“ Kastja steckte das
Messer in den Gürtel zurück und zog ein Schwert hervor, das im fleckigen
Mondlicht leuchtete. „Verabschiede dich“, flüsterte er, das Schwert sauste
durch die Luft. „Sag Lebewohl.“   
    Die Waffe durchstieß Linus‘ Brust.
Gleichzeitig riss Kastja die Augen auf, stolperte zur Seite, tastete seinen
Rücken ab. Als er auf seine Hände blickte, sah er Blut an den Fingern kleben. Ein
Pfeil steckte in seiner Schulter.
    Linus lag nur da und starb. Er hatte sich
das Sterben so viel schlimmer vorgestellt, schmerzhafter. Er schaute an sich
hinab, sah das Schwert in seiner Brust stecken. Und da verstand er, ohne auch
nur den Mantel zu öffnen. Das Schwert hatte nicht ihn durchbohrt, sondern die
Bücher.
    Er sprang auf, zog das Schwert aus sich
heraus und rannte los. Kastja brüllte vor Wut oder Schmerz, seine schweren
Schritte waren im Laub zu hören. Der Wald bestand nur aus ihm und seinen fürchterlichen
Flüchen.
    Linus stieg so schnell er konnte zwischen
den Ästen und Baumkronen nach oben. Als er zurück blickte, sah er Kastja weit
unten.
    Kurz fasste Linus unter den Mantel, seine
Finger fuhren über die Buchrücken und Seiten und obwohl er sich noch immer
fürchtete, grinste er nun, von einem Ohr zum andern.
    Hinter dem Wald, zwischen den Hügeln,
erschien die Frostburg und Linus hatte den Eindruck, als würde sie ihm aus
vorwurfsvollen Augen entgegenblicken.

 
 
    RUBENS
    und der Verräter unter Freunden

 
    Rubens stand immer noch mit Pfeil und Bogen
in der Dunkelheit und lauschte Kastjas Flüchen. Nur ein Stückchen weiter links,
ein paar Fingerbreit weiter unten, und die Pfeilspitze hätte ihm das Herz
durchbohrt. Er wagte nicht zu atmen, während er in der Dunkelheit verweilte und
wusste, dass jede Bewegung, jeder Laut ihn verraten könnte – sein eigener König
jaulte dort hinter den Bäumen, attackiert und verraten von seinem engsten
Verbündeten, seinem treuesten Gefährten.
    Er hatte es nur wegen des Jungen getan.
Erinnerungen, dachte Rubens, alles nur Erinnerungen. Rubens war damals, als er
noch ein wenig jünger als Linus gewesen war, ebenfalls nur knapp den
Sternenjägern entronnen, doch war er sich dessen selbst Jahre danach nicht
bewusst gewesen. Es fühlte sich gut an, den Jungen gerettet zu haben. Als habe
er dadurch ein Stück seiner eigenen Vergangenheit abgestreift.
      „Ich
hab dich gesehen“, raunte eine Stimme hinter ihm. Eine Gestalt kam
angeschlichen, ihr Mantel flatterte im Wind.
    Rubens wirbelte herum. „Ich wollte nicht
Kastja treffen!“ Der Satz kam ihm überraschend schnell und laut über die
Lippen. „Der Junge ist ihm fast entwischt, das hast du sicherlich gesehen. Der
Pfeil ist danebengegangen, ich bin noch ein bisschen müde, glaube ich.“
    Djergil lachte. Sein Gesicht leuchtete im
Schein der Irrlichter. „Verfehlt, sagst du? Du bist ein guter Schütze, das weiß
jeder. Man erzählt sich von dir, dass du noch nie ein Ziel verfehlt hast -
warum solltest du ausgerechnet jetzt deine Fähigkeit verlieren?“
    „Ich bin müde, das sagte ich doch schon“,
entgegnete Rubens lahm.
    Djergil legte den Kopf in den Nacken und
seufzte.
    „Ich kenne dein Geheimnis“, sagte er leise.
    Lange herrschte Stille, selbst Kastja war
nicht mehr zu hören.
    Rubens räusperte sich und rieb die Hände
aneinander, damit sie wärmer wurden, doch eigentlich tat er es nur, um
irgendwas zu tun. „Wie meinst du das?“
    „Das weißt du doch.“ Der Jäger grinste,
verschwörerisch neigte er den Kopf und flüsterte: „Du bist eine Mondschwinge,
nicht wahr? Du gehst jede Nacht hinaus, jede Nacht, du verschonst die meisten
Elstern, magst das Töten nicht ...“ Djergil zog eine Grimasse, sah ein bisschen
spöttisch aus. „Vielleicht merkt es sonst niemand, aber ich, ich habe es schon
lange gesehen. Ich bin nicht dumm, Rubens.“  
      „Eine Elster unter Sternenjägern? Ein Opfer
unter seinen Mördern?“ Es hörte sich tatsächlich aberwitzig an, wenn er es laut
sagte. „Ich bin ein Mensch und bin schon immer einer gewesen.“
    Djergil zuckte mit den Schultern. „Du
trinkst Mondlicht, jede Nacht. Ich hab dich schon oft genug beobachtet, vor der
Stadtmauer, im hohen Schilf, wo niemand dich sieht. Ich weiß, dass du
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