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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition)
Autoren: Jasper Sand
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Zeit. Doch wenn nicht
jetzt, hier, am Ende, wann denn sonst? Die Jäger hatten ihren Dienst getan, sie
hatten ihren Auftrag erfüllt. Es war vorbei. Kastja würde ihm verzeihen.
    „Er kann kein König
sein, das ist die Wahrheit“, rief Toiva und kam mit erhobenem Finger auf Rubens
zu. „Er will kein Jäger mehr sein.“
    Wie recht sie hatte.
Vermutlich kannte sie ihn besser, als er sich selbst.
    „Es war mir eine Ehre,
Eure Majestät.“ Rubens verbeugte sich, trat einen Schritt zurück und ließ sich
durch das Fenster fallen.
                                                  
    „Ich wusste, dass er
eine Elster ist. Ich hab es an ihm gerochen, als ich ihm auf eines der Schiffe
begegnete.“ Toiva stand atemlos am Fenster, das sie mittlerweile wieder
geschlossen hatten. Der Jäger, der kein Jäger war, flog weit oben, am immer
schwärzer werdenden Himmel. „Er hat es gekannt, das Geheimnis, nicht wahr?“
    „Das würdet Ihr auch,
wenn Ihr es nur kennen wolltet. Ihr steht mit geschlossenen Augen vor der
Wahrheit und wollt die Augen nicht öffnen.“
    Toiva schnaubte.
„Geheimnisse soll man nicht kennen. Warum sollte ich dann ein Geheimnis kennen,
das ich nicht kennen sollte?“
    Svija schob sich näher
an Liv heran. „Was geschah, als der letzte Mond verschwand?“
    Die Königin stieg die
Stufen zu ihrem Thron empor, blieb mit dem Rücken zu den drei Elstern im Saal
stehen. „Sie sind nicht gestorben. Sie haben sich verwandelt. Sie wurden zu
Menschen.“ Sie drehte sich um und setzte sich auf ihren Thron.
    Linus sprang von dem
Kamin fort, als hätte er sich die Beine verbrannt. „Das ist nicht Euer Ernst!“
    „Ich befürchte schon, mein
Sohn … das bist du doch, nun, da du weißt, dass du nicht sterben wirst? Ihr
alle werdet lediglich zu Menschen.“ Sie breitete die Arme aus, als wollte sie
ihre Gäste umarmen.
    Linus wusste nicht, was
er denken sollte. Kein einziges Mal hatte er auch nur daran gedacht, dass er
nicht sterben, sondern sich verwandeln würde, wenn der letzte Mond verschwand.
    Svija sah an sich hinab.
Wie es sich wohl anfühlte, ein Mensch zu sein? Von einem Tag auf den anderen?
Sie war nie sehr oft geflogen, meistens nur um Obst von den Bäumen im
Sommerwald zu pflücken oder Mondlicht trinken, doch nun wünschte sie sich, sie
hätte es öfters getan.
    Toiva wollte sich
übergeben. Der Tod erschien ihr so viel schöner, seitdem sie das Geheimnis
kannte. Sie war eine Mondschwinge und wenn die Mondschwinge in ihr starb, dann
lebte auch sie nicht mehr. Eine Hülle ohne Seele würde sie dann sein, ohne Herz
und ohne Verstand.
    Liv sah von einem
Gesicht zum andern, jedes war blass und weiß wie der Mond. „Die versammelten
Magier wurden zu Staub, nachdem der Mond verschwand. Die Elstern tobten vor
Wut, wollten kämpfen, doch sie wussten nicht mehr, wer Freund war und wer
Feind. Sie suchten die Magier auf und drohten ihnen mit dem Tod, wenn sie die
neugewordenen Menschen nicht zu Mondschwingen verwandelten. Die Magier riefen
die Monde zurück und alles wurde wieder so, wie man es kannte. Krieg und Blut
und Tod.“ Liv trommelte mit ihren schmalen Fingern auf den Lehnen ihres
Thrones. „Die Magier werden zu Staub zerfallen, wenn der letzte Mond verschwindet.
Euch Elstern wird nichts anderes übrig bleiben, als euch mit eurem Schicksal
abzufinden.“
    „Ihr glaubt einem Buch?“
Toiva spuckte auf den Boden. „Einem einzigen, lächerlichen Buch ?“ Sie wirbelte herum und rannte. Sie öffnete die Türen, doch
niemand hielt sie auf.
                                                  
    Rubens öffnete die
Augen. Weit unter ihm war der Wald und irgendwo weiter vorn thronten die Berge.
Noch nie war er so weit oben geflogen, immer nur ein paar Schritte über dem
Boden. Der Wind rüttelte an ihm, kam von allen Seiten und riss ihm einen
Stiefel vom Fuß. Tränen klebten ihm auf der Wange und
wurden zu Eis.  
    Er wusste, dass er nicht
mehr viel Zeit hatte. Wenn er sich in einen Mensch verwandelte, müsste er
zurück auf dem Boden sein. Aber noch nicht jetzt, nur noch ein bisschen …
    Rubens sah Lichter an
den Ufern, Schiffe weit entfernt, Rauch zwischen fingernagelgroßen Häusern.
    Alles ging so schnell,
das Ende kam mit großen Schritten näher. Nur noch ein paar Atemzüge wollte er
hier oben bleiben, nur noch ein klein wenig … Er sollte sich verabschieden,
sollte zurück auf den Boden. Sein Gesicht war nass und
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