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Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht
Autoren: Boris Pfeiffer
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Unsichtbar zu sein konnte echt nerven.
    Addi Felsfisch befand sich in der fünften Etage des Kadewuppdich, wie die Berliner ihr größtes Kaufhaus nennen. Er stand hinter einem Meer von Rücken und kam keinen noch so winzigen Schritt mehr voran. Er konnte sich mit dem ganzen Gewicht seines fast elfjährigen Körpers nach vorne schieben, er konnte stoßen, er konnte sich recken, so hoch er wollte. Alles, was er zu sehen bekam, waren durchgeschwitzte Damenblusen, die aus Röcken gerutscht waren, durchgesessene Jeans und bunte Tätowierungen über schwarzen Ledergürteln.
    Ihn dagegen sah keiner. Das war auch schlecht möglich, denn welcher Erwachsene guckt schon mit dem Bauchnabel, und dann auch noch nach hinten!
    Und Schreien hilft hier auch nicht, dachte Addi. Es hätte nämlich niemand gehört, weil jedes der Wesen vor ihm selbst schon schrie oder vielmehr kreischte, in die Höhe sprang, mit den Armen wedelte und mit aller Macht nach vorne drängelte. Dahin, wo Addi auch hinwollte.
    Denn dort saß Spidy persönlich, gab Autogramme und verteilte kostenlose DVDs seines neuesten Films Dunkle Drachenbrut .
    Addi ballte die Fäuste und versuchte es mit dem letzten Trick. Er holte mit dem rechten Bein aus und stieß dann sein spitzes Knie von hinten in die Kniekehle direkt vor ihm. Ja, das klappte! Die ältere Dame im lila Kostüm, die vor ihm stand wie ein Felsen im Meer, fuhr herum und machte eine kleine Lücke frei. Addi wollte sich schon an ihr vorbeizwängen, als sie plötzlich Luft holte und dabei ihren Bauch so dick aufpumpte, dass die Lücke im selben Augenblick wieder zu war und Addi gegen den Bauch der Dame knallte.
    Mit rotem Kopf fauchte ihn das lila Schreckgespenst an: „Halt die Füße still, du Affe! Kinderstube ist wohl ein Fremdwort für dich?!!“
    Addi starrte in das geschminkte Gesicht über sich. Wenn er ehrlich war, hatte er das Wort Kinderstube tatsächlich noch nie gehört. Hatte das was mit Puppenstube zu tun? Und wenn ja, was sollte es bedeuten?
    „Keine Ahnung!“, sagte er deswegen sicherheitshalber. „Aber ich muss da durch! Sie kommen hier sowieso nicht weiter, aber ich bin kleiner als Sie, ich schaffe es bis zur Bühne, wenn Sie mich durchlassen. Dann hat wenigstens einer von uns Erfolg und bekommt sein Autogramm.“
    Sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen, so geschliffen und überzeugend drückte sich Addi nur selten aus.
    Doch leider fand das die Frau in Lila gar nicht.
    „Ach nee?“, kreischte sie und schlug knallend die Hände zusammen. „Er muss da durch! Hör mal, Bürschchen, halt ja die Hufe still! Ich bin vor dir dran. Und da bleibe ich auch! Und ich will dich nicht noch mal zwischen den Beinen haben.“
    Und damit drehte sie sich wieder um und streckte Addi ihren Allerwertesten entgegen wie einen seidenumschlungenen lila Felsen.

    Addi stöhnte verzweifelt auf. Er würde nie an die Drachenbrut- DVD mit echtem Autogramm kommen, wenn ihm jetzt nicht irgendetwas Geniales einfiel.
    In diesem Moment pikte ihm jemand von hinten einen Zeigefinger in die Hüfte.
    „Hallo! Kannst du bitte mal zur Seite gehen!“
    Addi fuhr herum.
    „Bitte mal kurz zur Seite!“
    Vor Addi stand ein Junge mit türkisgrauen Augen und glattem schwarzem Haar, das ihm an der Stirn klebte. Er trug ein buntes T-Shirt und lächelte höflich.
    „Hast du sie nicht mehr alle?“, fragte ihn Addi.
    „Entschuldige, aber du blockierst den Weg.“
    „Ich blockiere überhaupt nichts“, erklärte Addi unwirsch. „Da ist zu. Der lila Hintern! Und außerdem bin ich vor dir.“
    „Aber siehst du denn den Weg nicht?“ Der Junge zeigte nach vorne. „Da geht es weiter.“
    Addi sah wirklich keinen Weg, aber der Junge ließ sich auf alle viere nieder und steckte den Kopf zwischen den Beinen des lila Schreckgespenstes durch.
    Im selben Moment passierte genau das, was Addi erwartet hatte. Die Beine unter dem lila Rock fingen an, wie ein Pferd auszutreten, und erwischten den Jungen voll an der Seite.
    „Haust du ab da!“, schrie es gleichzeitig von oben. „Habe ich dir nicht gesagt …“
    Eine große Hand packte den Jungen am Hosenbund und zog ihn in die Höhe.
    Dann sagte die Frau erstaunt: „Wer bist du denn?“
    „Guten Tag, alte Dame! Ağan Enc ist mein Name. Ich möchte zur Bühne.“
    „Alte?“ Die Frau schnappte nach Luft. „Hast du Alte zu mir gesagt? Gibt es denn gar keinen Anstand mehr unter der Jugend? Aber ich sage dir was, Jungchen: Du fühlst dich gleich alt! Und zur Bühne wollen wir hier alle.
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