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Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht
Autoren: Boris Pfeiffer
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steht?“, fragte Jenny erstaunt.
    „Ja.“
    „Puh.“ Jenny rieb sich die Nasenspitze. „Meine Mutter wüsste das nicht.“
    „Keine Ahnung, ob mein Vater so was weiß, aber er hätte mich nicht hergeschickt.“ Addi umrundete den hölzernen Drachen.
    „Er hat ein fieses Maul“, sagte Jenny. „Sieht genauso aus, wie ich mir als Kind immer einen Drachen vorgestellt habe, wenn meine Mutter mir ein Märchen vorgelesen hat.“
    Addis Vater hatte ihm keine Märchen vorgelesen, aber ohne nachzudenken, sagte er: „Ja, der ist echt nicht schlecht. Er sieht ein bisschen aus wie ein kahl geschorener Kampfhund mit Krallenfüßen!“
    „Und er hat einen gemeinen Skorpionschwanz“, meinte Jenny. „Mit einem Doppelstachel.“
    Ağan lächelte zufrieden. „Es ist der Drache der Fantasie. Ich glaube, so haben Drachen ausgesehen, bevor die Filmdrachen unsere Fantasie getötet haben.“
    „Aber“, wollte Addi entgegnen. Ihm ging durch den Kopf, wasein Drache im Kino so alles machen konnte. Feuer speien, Köpfe nachwachsen lassen, Häuser zerstören, Katzen fressen, mit dem Schwanz hundert Gegner auf einmal erschlagen – und das war schließlich auch alles Fantasie, oder etwa nicht?
    Aber dann fiel sein Blick auf Ağan. Der Junge sah den Drachen mit ernster Miene an, als wäre er das schrecklichste Ungeheuer aller Zeiten. Und irgendwie war dieses nackte, wurmartige Wesen mit den vierzehigen Krallen das auch. Es wirkte abstoßend und scheußlich und Ağan kannte schließlich keinen anderen Drachen.
    Addi hatte noch nie jemanden getroffen, der von seinem Vater in ein Museum geschickt wurde statt ins Kino, und wenn sein Vater das mit ihm gemacht hätte, wäre Addi ausgeflippt. Aber Ağan war nett, er hatte ihm vorher im Kaufhaus sehr geholfen. Und er schien sich diesen Drachen hier als ein wirklich furchtbares Wesen vorstellen zu können, nur mit seiner Fantasie …
    Schließlich sagte er: „Das Vieh ist der ekligste Drache, den ich kenne. Nur dass sie sich im Kino eben noch bewegen und der Sound dabei ist.“
    „Oh“, meinte Ağan. „Das kann der hier alles auch, wenn man noch Fantasie hat.“
    Addi wurde rot und musste nach Luft schnappen. Aber er beherrschte sich.
    „Sag mal“, sagte er schnell, „nachdem du den hier also angeguckt hattest, was hast du dann hier noch so gemacht? Du musst ja hier stundenlang rumgelaufen sein, dass du dich so gut auskennst?!“
    Ağan nickte. „Ja.“ Er breitete die Arme aus. „Es gibt hier alles Mögliche. Alte Tempel und eine Murmelbahn aus Byzanz. Und noch jede Menge andere Drachen, Engel und …“
    „Hier könnte man auch toll Verstecken spielen“, unterbrach ihn Addi. „Besonders jetzt, weil eh niemand da ist.“
    Jenny sah ihn an. Dann begann sie zu kichern. „Versteck?“
    „Ja! Am Drachen ist Abschlag. Ich wette, ich würde euch beide finden.“
    „Verstecken?“, wiederholte jetzt auch Ağan. „Im Ernst?“ Seine türkisgrauen Augen funkelten unternehmungslustig.
    „Na klar!“
    Jenny grinste. „Mich findest du nie. Das schafft kein Junge.“
    „Mich auch nicht!“ Ağan zog eine Augenbraue in die Höhe. „Mein Vater findet mich ja nicht mal, wenn ich mich bei uns zu Hause in der Wohnung verstecke.“
    „Du spielst mit deinem Vater noch Verstecken?“, fragte Addi ungläubig.
    „Nein, aber ich verstecke mich manchmal vor ihm, wenn er mir auf die Nerven geht.“
    „Ich mache dann einfach die Tür zu“, sagte Addi. „Und schließe drei Mal ab.“
    „Würde ich auch so machen, aber ich habe kein eigenes Zimmer“, erklärte Ağan.
    Addi sah auf den Drachen.
    „Okay, ich zähle bis zehn. Wenn ihr dann nicht weg seid, schlage ich an. Aber ich finde euch garantiert. Ich bin ein echter Spürhund! Abgemacht?“
    „Abgemacht!“ Ağan und Jenny strahlten Addi aufgeregt an.
    Also machte er die Augen zu und begann zu zählen.

Als Addi die Augen wieder aufmachte, waren Ağan und Jenny verschwunden.
    Er sah sich genau um. Er hatte nur sehr leise Schritte gehört, als die beiden weggeschlichen waren. Und diese hatten am Drachen vorbei in Richtung des vorderen Saalausgangs geführt und waren dann verklungen.
    Addi überlegte. Vor ihm, dort, wo er die Schritte zuletzt gehört hatte, lag an der rechten Seite eine Tür, die in den nächsten Raum führte, und hinter ihm führten links und rechts zwei weitere Türöffnungen aus dem Saal hinaus.
    Und genau deswegen zog es Addi nach hinten. Denn er selbst hätte sich zuerst halblaut in eine Richtung weggeschlichen, um
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