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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition)
Autoren: Jasper Sand
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Banketten. Aber ein einzelnes Buch vergaß
ich über viele Jahre nicht. Es war kein Märchen, keine Mythe oder Sage. Es
berichtete von der Wahrheit, von geschichtlichen Ereignissen, die einmal vor
langer Zeit geschahen. An eines der Ereignisse erinnerte ich mich ewig, es
brannte sich in mir ein und immer wenn ich daran zurückdachte, nahm ich mir
vor, die Geschichte zu wiederholen, sobald ich auf dem Thron säße.“ Der Wind
zerrte an Livs Kleid. Der blaue Stoff wellte und bewegte sich wie Wasser, die
Perlen blitzten auf wie weißer Schaum.
    „Das ist ja alles schön
und gut.“ Toiva trat sich von einem Fuß auf den andern. „Doch plagt mich das
Gefühl, ich verschwende meine Zeit, wenn ich nicht bald gehe.“
    „Als ich das Buch entdeckt
hatte“, fuhr die Königin fort, als hätte sie Toiva gar nicht gehört „trug ich
es in mein Gemach und legte es unter mein Kissen. Ich holte es nur bei Nacht
hervor. Irgendwann, nach langer Zeit, starb mein Vater und ich holte das Buch
wieder hervor. Ich versuchte, die Geschichte zu wiederholen.“
    „Ihr habt die Magier zu
Euch gerufen“, flüsterte Svija. Es war das erste Mal, dass sie im Thronsaal
sprach.
    „Das habe ich.“ Livs
Haare flatterten im Wind. „Vor vielen hundert Jahren versammelten sich Magier.
Zu einer Zeit, in der sie noch angesehen und mächtig gewesen waren. Sie hatten
die Kriege zwischen Menschen und Mondschwingen satt, in denen auch sie immer
wieder Partei ergreifen mussten. Sie hassten das Getöse, das Blut, all die
Tode, die gestorben wurden. Sie entschieden sich dazu, eine der beiden Seiten
auszulöschen um für Ruhe zu sorgen. Es erschien ihnen naheliegend, die Elstern
auszuwählen, da sie nur lebenstüchtig wären, wenn sie sich vom Mondlicht
ernährten. Gäbe es die Monde nicht mehr, dachten sie sich, würden sie
verdursten.“
    „Aber sie sind nicht
verdurstet“, wisperte Svija mit großen Augen. „Etwas anderes muss passiert
sein.“
    Es war still im Saal,
kein Geräusch drang aus der Stadt zu ihnen. „Der letzte Mond verschwand, doch
keine einzige Elster starb.“
    Linus‘ Kopf brummte.
Irgendetwas musste geschehen sein, damals. Die Königin schlief schließlich
nicht umsonst ein halbes Leben lang mit einem Buch unter dem Kopf.
    „Macht es nicht so
furchtbar spannend“, knurrte Toiva.
    „Die Wahrheit“, meinte
Liv „wird euch sicher nicht gefallen.“
                                                  
      Im nächsten Moment kam Rubens auf die Königin
zu. Er kniete sich vor ihr nieder und neigte den Kopf. „Vergebt mir, wenn ich
Euch unterbreche, Eure Majestät. Doch ich kann nicht länger warten.“ Das Herz
klopfte überall in seinem Körper, nur nicht mehr in seiner Brust. „Kastja starb
vorhin in einer der Gassen der Stadt. Er wurde von seinem Sohn vergiftet, ich
konnte nicht lange mit ihm reden.“
    „Wie bedauerlich. Er war
ein guter Jägerkönig.“ Liv klang nur wenig bedauernd, doch sie bemühte sich,
traurig auszusehen.
    Rubens zog sich langsam
die Kette über den Kopf und hielt noch einen Augenblick lang das Medaillon in
den Händen. Es pulsierte zwischen seinen Fingern, klopfte wie ein Herz auf
seinen Handflächen. Er hatte Kastja versprochen, König zu werden, zweimal.
Bevor er sein Versprechen gebrochen hatte. Der Jägerkönig war mit der
Gewissheit gestorben, dass sein engster Verbündeter sein größter Feind war. Er
hasste Kastja nicht, hatte ihn noch nie gehasst, doch Rubens war kein Jäger
mehr und ein König würde er nie sein.
    Rubens legte vorsichtig
das Medaillon in Livs Hände. „Er überreichte mir dies.“
    „Das Medaillon des
Königs, ich hab es schon einmal gesehen.“ Livs Blick flackerte. „Warum gebt Ihr
mir das?“
    „Es ist vorbei, sagte
er. Es wird keinen Jägerkönig und keinen Jäger mehr nach dieser Schlacht
geben.“ Die falschen Worte, die Rubens Kastja in den Mund legte, verbrannten
ihm die Lippen. Er stand auf und raunte ihr zu, sodass nur sie ihn hörte: „Ich
weiß, was passieren wird. Vielleicht wusste er es auch. Wenn der letzte Mond
verschwindet, ist die Zeit der Jäger vorbei.“
    Liv ließ sich nichts
anmerken, sah nur auf das Medaillon in ihren Händen herab, doch Rubens war
sicher, dass er das Geheimnis kannte. Die Geschichte, die sich heute
wiederholen würde. Würde Kastja ihm nicht vergeben, wenn er wusste, was
geschah?
    „Keine Jäger“, sagte
Liv.
    Es hatte sich nicht
richtig angefühlt, Kastja zu verraten. Nach all der
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