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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition)
Autoren: Jasper Sand
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gegangen.“
Jede Träne schluckte er einzeln herunter.
    „Geheimnis, ja.“ Liv hob
das Kinn und schaute zur kahlen Deck empor. „Es war ein Brief von mir. Während
mein Vater noch lebte, hatte ich keinerlei Gelegenheit Mortis eine Botschaft zu
schicken und als er dann starb … wusste ich lange Zeit nicht, ob es richtig
sei, ihm nach all den Jahren zu schreiben. Dass ich lebte. Warum sollte er sich
freuen, nachdem er mich fast vergessen hat? Warum sollte er mir glauben, fragte
ich mich. Ein Jahr tat ich nichts, ich dachte, es sei besser so.“ Sie senkte
den Kopf, ihre Augen glänzten im Licht. „Bis ich nicht länger warten konnte. Es
kam mir kindisch und unüberlegt vor, aber trotzdem wollte ich nicht mehr
warten. Ich schickte einen Edelmann mit dem Brief zur Frostburg – in der Tat
der einzige Edelmann, den ich leiden kann. Er gab ihn einer Magd, die ihn
wiederum Mortis überreichte. Die Botschaft selbst war kurz; ich schrieb ihm
nur, er solle zum Bernsteinfest und sich vergewissern, dass ein Edelmann der
Menschenkönigin zu den Ehrengästen gehöre. Er könne mit ihm reden, wenn er wollte.
Und wenn er ihm glaubte … nun, dann hätte er zusammen mit dir nach Skopenvang
kommen können.“ Liv ließ die Arme hängen, sie baumelten wie Äste im Wind. Ihre
Wangen zuckten, sie kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Aber sie
weinte nicht.
    „Warum sollte er nur
einem Brief und einem Edelmann trauen?“ Linus hatte die Frage nicht länger
zurückhalten können, obwohl sie das ohnehin schon dünne Nervenkostüm der
Königin in tausend Teile zu zerfetzen drohte.
    „Weil er meine
Handschrift kennt“, erwiderte Liv blitzschnell. „Manchmal denke ich“, fügte sie
leise hinzu „dass es ein Fehler war. Den Brief zu schreiben. Manchmal denke
ich, er kostete Mortis das Leben.“ Für einen Moment, einen sehr kurzen nur,
glaubte man eine Träne an ihrem Gesicht herabrinnen zu sehen. Sie tropfte so
schnell von ihrem Kinn, dass Linus glaubte, sich versehen zu haben.
    „Er hat Euch geglaubt,
am Ende. Als er starb, sagte er, ich solle nach Skopenvang.“
    Die Königin taumelte
zurück und fiel nach hinten in den Sessel. „Das hast du mir vorhin nicht
erzählt.“
    „Ihr seid meine Feindin.
Warum sollte ich Euch alles erzählen, wenn Ihr mich in ein paar Stunden schon
umbringen wollt?“
    Liv sah ihn fragend an
und schüttelte den Kopf. „Nicht alles ist, wie es scheint.“
    „Was soll das heißen?“,
wollte er mit barscher Stimme wissen. „Dass Ihr mich schützen wollt, weil ich
Euer Sohn bin? Ihr vergesst wohl, dass es für mich noch andere Leben gibt, die
wichtig sind. Darüber hinaus glaube ich Euch kein Wort.“
    Was ist, schoss es ihm
durch den Kopf, wenn sie tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte und er ihr Sohn
war? Dann war er ein Zerrissener, halb Mondschwinge und halb Mensch, genau wie
Amber. Vielleicht überlebst du wirklich ,
wisperte die Stimme in ihm, nur die
Mondschwinge wird in dir sterben .
    Liv schnaubte. „Ich
würde dir gerne die Angst nehmen. Doch warum sollte ich mich bemühen, wenn du
mir schon alles andere nicht glaubst?“
    Linus fuhr auf. Der
Sessel rutschte über den Marmorboden. „Wie soll ich Euch glauben, wenn Ihr bald
schon meine Mörderin seid? Überhaupt …“ Er gestikulierte wild und rang nach
Worten. „Womöglich seid Ihr verrückt, mehr nicht. Ihr habt mich beobachten
lassen, behauptetet Ihr vorhin, Ihr wusstet, dass ich komme.“
    „Du bist mein Sohn.
Natürlich will ich immer wissen, was du tust.“ Sie klang ehrlich empört. „Zugegebermaßen
konnte ich keine meiner Soldaten auf dich loslassen. Die Gefahr wäre zu groß
gewesen. Spione hingegen halten den Mund, wenn man ihnen genug Geld gibt.“ Sie
rutschte auf ihrem Sessel weiter nach vorne und ergriff Linus‘ Hände. „Was kann
ich tun, damit du mir glaubst?“
    „Lasst mich und meine
Freunde leben.“ Linus entzog sich ihrem Griff, schüttelte ihre Hände ab wie
feuchten Mist.
    Im selben Moment
öffneten sich die Türen hinter ihnen. Ein hünenhafter Bote trat mit gesenktem Kopf ein, neben ihm ein Wächter, der mit einer Schar anderer
Krieger den Thronsaal bewachte. „Die Magier wollen nicht gestört werden.“ Er
verbeugte sich ungelenk, der Hut fiel ihm vom Kopf. „Die letzte Zeremonie
hat   begonnen.“

 
    TOIVA
    und das letzte Duell

 
    Toiva stand vor der Tür zum
Thronsaal und legte die Hand auf die Klinke. Kein Wächter hielt sie auf, kein
Soldat kam ihr entgegen. Fast so, als erwartete
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