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Mondmilchgubel Kriminalroman

Titel: Mondmilchgubel Kriminalroman
Autoren: Mona Bodenmann
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Falten machen sich auf ihrem Gesicht bemerkbar. Zu viel Rotwein auf nüchternen Magen, zu viele Tränen. Der alte Schmerz über Luciens Tod ist erneut aufgebrochen. Als er noch lebte, glaubte sie an ihre Unverwundbarkeit. Wie sehr hat sie sich getäuscht. Es ist möglich, mit dem Verlust zu leben, aber unmöglich, sich an ihn zu gewöhnen. Und jetzt Iris. Die Trauer erfasst sie wie ein Strudel und zieht sie in die Tiefe. Weder von Lucien noch von Iris hat sie sich verabschieden können. Beide haben sie letztendlich im Stich gelassen. Sie fürchtet sich davor, einmal mehr ins Bodenlose zu fallen. Es ist nicht der Aufprall, der ihr am meisten Angst macht, sondern das Fehlen eines handfesten Trostes.
    Dusche, Aspirin, Espresso. Nichts hilft. Sie ist spät dran. Wenn sie die Verabredung mit Möller einhalten will, muss sie sich beeilen. In der Wolfsgrueb stellt sie ihren Toyota auf den Parkplatz. Der Himmel ist klar. Die Sicht beeindruckend. Doch heute ist ihr die Idylle dieses Ausflugsorts zuwider. Sie wählt den oberen Weg Richtung Mondmilchgubel. Stellenweise ist er matschig, sodass sie um ihre festen Schuhe froh ist. In dieser Gegend gibt es unzählige Wasserfälle, und so bleibt der Boden auch nach langen Trockenperioden feucht. Die Vögel tschilpen frech, als gingen sie die menschlichen Tragödien nichts an. Beim liegenden Ahorn biegt sie rechts ab, folgt dem schmalen Pfad zum Mondmilchgubel. Sie denkt an Iris, die gestern denselben Weg gegangen ist. Jetzt bloß nicht wieder losheulen. Sie will diesem Ermittler nicht mit verweinten Augen gegenübertreten.
    Iris verdankt sie es, dass sie heute mehrere Stunden am Stück wandern kann, ohne zu ermüden. Anfänglich hat sich ihr Körper gegen jegliche Art von körperlicher Ertüchtigung gewehrt. Es begann mit Kreuzschmerzen, gefolgt von Kniebeschwerden. Später kamen die Schmerzen im Fußgelenk hinzu. Inzwischen besitzt sie einen Hometrainer. Eine Viertelstunde strampeln gehört nun zu ihrem Morgenritual. Während sie früher nur mit Stöckelschuhen unterwegs war, trägt sie jetzt vorwiegend bequeme Schuhe.

     

Kapitel 5
    Valentin Möller begrüßt Viktoria Jung auf dem mit einem Metallgitternetz überzogenen Holzsteg unmittelbar vor dem Mondmilchgubel. Er mustert ihre Bergschuhe. »Kommen Sie.« Er weist Richtung Höhle, lässt ihr den Vortritt. Er staunt, wie fließend ihre Bewegungen sind, wie natürlich ihr Hüftschwung. Er mag üppige Frauen. »Ich habe soeben die Trassierbänder entfernt. Die Spurensuche ist abgeschlossen.«
    »Und, weiß man nun mehr?«
    Er ignoriert ihre Frage. »Die Höhle ist ein perfekt eingerichteter Picknickplatz.«
    »Ja, dank des ehemaligen Staatsförsters.«
    »Ich frage mich, ob viele Wanderer hier haltmachen?«
    »Wohl kaum. Zu wenig bekannt. Übrigens mag ich es nicht, wenn ich keine Antwort auf meine Fragen bekomme«, beschwert sich Jung.
    »Tut mir leid, eine schlechte Angewohnheit von mir.«
    Im Aluminiumbecken, wo das Quellwasser aufgefangen und in den etwas tiefer gelegenen Holzbrunnen geleitet wird, schwimmt eine Blüte.
    »Nein, bitte nicht«, fährt er Jung an, als sie nach der Orchidee greifen will.
    »Das war Iris’ letzter Gruß.« Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
    Diese Frau hat nichts zu verbergen, denkt er. Ihre Trauer ist echt. Aus Erfahrung weiß er, dass er sich auf sein Gefühl verlassen kann. »Es tut mir leid, es muss sein.« Er steckt die Blume in einen Asservatenbeutel. Lausige Arbeit, denkt er verärgert.
    Jung füllt ihre Feldflasche an der Stelle auf, wo das Wasser aus dem Felsen quillt und streckt ihm die Flasche entgegen.
    Er winkt ab.
    »Sie verpassen schon wieder etwas«, erwidert Jung betrübt.
    Er verkneift sich ein Lächeln. Er findet sie anziehend, auf natürliche Weise selbstsicher. »Hat Ihre Freundin immer Blumen zurückgelassen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Warum ausgerechnet eine Orchidee?«
    »Vielleicht, weil sie lange frisch bleibt?«
    Jung begibt sich hinüber zum Holzgeländer. Er schaut ihr nach. Vor ihr ergießt sich das Wasser wie ein glitzernder Vorhang in die Tiefe. Er sieht, wie sie sich über die Brüstung beugt und auf die weiße Kreidemarkierung starrt.
    »Iris wurde dort unten ermordet?«
    »Es ist anzunehmen.«
    »Anzunehmen? Geht es auch etwas ausführlicher?«
    »Hätte der Täter mit seinem Wagen den Forstweg benutzt, hätte er die Tote am Schluss den steilen Fußweg hinauftragen müssen. Und das scheint mir eher unwahrscheinlich.«
    »Wurde Iris vergewaltigt, bevor sie
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