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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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kann nicht!", stöhnte er.
    "Das könnte Ihnen so passen", entgegnete Sophia und begann ihn die Treppe hinaufzuschieben.
    "Sie wissen nicht, wozu sie fähig ist", behauptete Tweeford angstvoll.
    "Nein, das weiß ich wirklich nicht", bestätigte Sophia. "Aber ich weiß genau, wozu ich fähig bin."
    Tweeford war sich nicht klar darüber, ob er das beruhigend finden konnte.
    "Wo ist ihr Zimmer?", zischte Sophia Tweeford an.
    Er wies auf MYLADIES Zimmertür.
    Von drinnen hörten sie das gedämpfte Rauschen des Spiegels. Dann durchschlug ein zweiter Schrei das Holz der Tür. Sophia stieß die Türe auf und Tweeford ins Zimmer.
    "Hallo, Waschlappen!", wurde der Butler von seiner Herrin angetobt. "Und", sie knirschte hörbar mit den Zähnen, "hallo Flittchen!", tobte sie weiter, als sie Sophia erkannte, die hinter Tweeford den Raum betrat.
    Der Spiegel tauchte das Zimmer in orangefarbenes Licht. Der Spiegel tönte gerade: "Aber Sophia ist einfach schöner als du."
    Sophia hatte den Lichtschalter neben der Tür gefunden und knipste ihn an. Hartes klares Licht durchflutete den Raum. Ein Entsetzensschrei aus tausend Kehlen erfüllte die modrigen Winkel des Raumes und erstarb wimmernd.
    "Und nun zu dir", sagte Sophia und trat vor den Spiegel. "Wer bist du, dass du dir anmaßt, Frauen ungestraft aufeinander hetzen zu dürfen?"
    "Ich bin sehr alt", antwortete der Spiegel und es hörte sich an, als habe er keine Zähne im Mund.
    "Das ist keine Entschuldigung! Das ist keine Entschuldigung für irgendetwas, geschweige denn dafür, Menschen in den Tod zu treiben", gab Sophia kalt zurück.
    "Nein!", schrie MYLADY, als sie sah, dass Sophia einen der großen Kerzenleuchter aus Messing in der Hand wog.
    "Du blöde Kuh lässt dich von solch einem listigen Greis aufhetzen? Du lässt dir von diesem zahnlosen Alten vorschreiben, wen du liebst und wen du hasst? Ich werde dir zeigen, was in Wirklichkeit dahintersteckt", fuhr Sophia MYLADY voller Verachtung an, holte mit dem Kerzenleuchter aus und warf ihn mit aller Kraft in den Spiegel.
    MYLADY schrie, Tweeford schrie, der Spiegel schrie und zerbarst in tausend Stücke. Statt seiner uralten, glatt polierten Oberfläche, erschien ein großes gezacktes Loch, in das ein ungeheurer Luftsog zu strömen begann. Das Bett rutschte, wurde zermalmt und eingesogen. Die Schränke, MYLADY, Tweeford und was sich sonst noch in dem Raum befand, erlitten das gleiche Schicksal. Als Sophia wieder zu sich kam, krallte sie sich immer noch an einer der Fensterbänke fest. Ihre beiden Hände waren verkrampft, weiß und blutleer. Aber sie hatten sie davor bewahrt, in die Spiegelwelt hineingesaugt zu werden. Sie sah sich um. Das Zimmer war leer. Völlig leer. Nur noch der Spiegelrahmen hing an der Wand. Selbst die kleinsten Glassplitter waren aus ihm verschwunden.
    Sophia öffnete die Tür und rief: "Claudio!" Aber niemand antwortete. Staub stand in weißen Fahnen in der Luft des verlassenen Hauses. Es war totenstill.

Tamisrah
    Der Schatten neben dem Schrank flüstert: "Diesmal schaffst du es nicht. Du schaffst es nicht."
    Emelas Finger krallen sich in die Matratze. Sie liegt auf dem Bauch. Beißender Schweiß läuft ihr in die Augen. Ein Tag im August. Die Sonne hat den ganzen Tag prall auf die Nordseeküste geschienen. Die Luft über dem Strand flimmert immer noch von der Hitze, die der Sand gespeichert hat. Aber auch dieser intensive Sonnentag findet seinen Abend. Mit grandiosem Dunkelrot beginnt die Sonne sich von den Menschen zu verabschieden. Die Schatten werden länger. Und in dem Maße, wie es dunkler wird, kriecht die Angst in Emela hoch. Emela hätte bestritten, dass das Geschehen etwa nur in ihr läge, nur eine Gefühlssache sei. Sie empfindet es anders. Sie empfindet es so, dass die Schatten ihr die Kraft nehmen. Sie erlebt die Dunkelheit wie einen riesigen Vampir, der sie Nacht für Nacht mit seinen schattigen Flügeln bedeckt, sie aussaugt und ihr immer weniger Kraft zum Leben übrig lässt. Das Grauen hat einen Namen. Tamisrah nennt Emela diese geheimnisvolle Kraft, denn sie kennt sie gut, seit...
    Ein indischer Student, mit dem sie während ihrer Studienzeit eine kurze Liaison eingegangen war, hatte ihr diesen Namen genannt. "Es liegt nicht an dir", hatte er sie zu beruhigen versucht , "es ist das Grauen in der Dunkelheit. Unsere Alten nennen es: Tamisrah."
    Seitdem hat das Grauen einen Namen.
    Und Emela ist nicht etwa schwach. Sie spielt Tennis. Ihre Bewegungen im Spiel sind fließend , kraftvoll und
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