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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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jenem Eissalon.
    Während sich Tweeford Sophia zu nähern versuchte, stellte MYLADY den Kontakt zu ihrem Prinzen her. Sie wusste durch ihren Spiegel, dass er ein talentierter Musiker war und am Konservatorium Ihrer Majestät Cello spielte. Sein Name war Claudio. Als er an diesem Tag ganz in Gedanken versunken die einundachtzig Stufen des Konservatoriums hinunter stieg, entdeckte er am Fuße der Treppe einen wartenden Rolls Royce Silver Shadow. Die hintere Tür des exklusiven Gefährtes schwang auf, und eine Stimme von atemberaubender Intensität sprach ihn an: "Steig ein, Claudio! Ich habe auf dich gewartet."
    Claudio bückte sich, um einen Blick ins Wageninnere zu werfen und er erkannte eine Frau, von der er auf Anhieb wusste, dass er ihr nicht widersprechen konnte.
    "Und mein Cello?", brachte Claudio hervor. MYLADY schnipste mit dem Finger. Die Gestalt des Fahrers löste sich von ihrem Platz hinter dem Steuer, erschien schattengleich neben Claudio und nahm ihm sein Cello aus der Hand. Völlig fasziniert von der schönen Stimme aus dem schönen Wagen und den schönen Möglichkeiten, die in ihr mitschwangen, achtete Claudio nicht darauf, was weiter mit seinem Cello geschah. Claudio stieg, vom Gewicht und der Sperrigkeit seines Instrumentes befreit, zu der unbekannten Dame in den Fond des Wagens.
    "Woher kennen Sie mich?", fragte Claudio. "Und wer sind Sie?"
    "Sagen wir es so", gab MYLADY zurück, "ich erkenne ein Talent, wenn es mir begegnet. Und Sie dürfen mich MYLADY nennen."
    Sie bewegte einen japanischen Fächer vor ihrem Gesicht, wie um sich Luft zuzufächeln, aber vor allen Dingen, um Claudio eine gute Portion vom Duft ihres betörenden Parfüms zukommen zu lassen. Allerdings begann sie sich zu fragen, ob dieser Dummkopf eine solche Verführung der ersten Kategorie überhaupt verdient hatte.
    Der Rolls glitt wie auf Samtpfoten davon.
    "Wo fahren wir hin?", wollte Claudio wissen.
    "Mein kleiner Prinz steckt heute voller Fragen", kicherte MYLADY. "Hat er etwas Besseres vor, als mir einen Besuch abzustatten?"
    "Natürlich nicht!", entgegnete Claudio und merkte kaum, dass seine Frage nicht recht beantwortet war.
    "Yussuf!", wandte sich MYLADY an den Fahrer. "Beeilen Sie sich!"
    "Selbstverständlich, wie MYLADY wünschen", hörte Claudio den Fahrer antworten, der sich nun halb umwandte und dabei seine unvorstellbar dämonische Fratze sehen ließ. Claudio wurde bleich.
    "Sie dürfen sich nicht vor dem Anblick Yussufs entsetzen, mein kleiner Prinz", säuselte MYLADY. "Ein hässlicher Verkehrsunfall beraubte ihn vor drei Jahren seines Antlitzes, das an Schönheit und Gefälligkeit dem Ihren durchaus gleichkam." Sie wusste, dass sie neben dem Eindruck des Schreckens Claudio sicher auch Bewunderung für den Mut abringen würde, eine solche Missgestalt in ihren Dienst genommen zu haben.
    Sie fuhr fort: "Der Arme fand nirgendwo eine Stelle. Bis ich von ihm hörte. Ich fand ihn nicht schrecklich. Ich liebe das Bizarre und Eigenartige."
    Dieser extreme Kontrast von abstoßender Hässlichkeit auf Yussufs Seite und bezaubernder Schönheit und Güte auf ihrer Seite verfehlte seine Wirkung auf Claudio keineswegs.
    Der Rolls hielt.
    "Wir sind da! Wunderbar gefahren, Yussuf!", lobte MYLADY. Der schreckenerregende Fahrer sprang aus dem Wagen, hielt erst MYLADY die Türe auf, um dann um den ganzen Wagen zu laufen und Claudios Tür zu öffnen. Erst jetzt merkte Claudio mit einer gewissen Verblüffung, dass er seine Türe selbst nicht von innen öffnen konnte.
    MYLADY führte den Prinzen die wenigen Stufen zu ihrer Haustür empor. Der Musiker verharrte einen Augenblick vor den verschlungenen Figuren im Holzwerk. Aber dann bedeutete ihm MYLADY einzutreten.
    Gebieterisch führte MYLADY Claudio durch die riesige Eingangshalle in die Tiefe des Hauses. In einem Raum angelangt, der am besten als Bibliothek zu beschreiben war, bedeutete sie ihm Platz zu nehmen.
    "Musik ist Euer Leben, wie ich vermute?", stellte MYLADY mehr fest, als dass sie ihn fragte.
    "Nicht nur Musik", schränkte Claudio ein, "die Musen überhaupt..."
    "Ich möchte Euch gerne etwas zeigen, was den Musiker in Euch interessieren wird", unterbrach ihn MYLADY.
    Claudio hatte sich mehr auf etwas eingestellt, was den Mann in ihm interessieren würde. Aber der Abend war ja gerade erst angebrochen.
    Aus einem der großen, bis zur Decke reichenden Holzschränke nahm MYLADY eine Violine und legte sie Claudio sorgsam in die Hände. Er musste ihr recht geben. Das interessierte den
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