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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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Musiker in ihm.
    "Ein schönes Instrument, eine alte, wertvolle Arbeit", murmelte er und betrachtete die Violine von allen Seiten.
    Ganz versunken näherte er seinen Mund den F Löchern. "Eine schöne alte Arbeit", fuhr er fort, "bestimmt von einem der großen alten Meister." Er sprach durch die Schallöcher direkt in die Violine hinein. Plötzlich fingen zwei Saiten an zu schwingen. Claudio lächelte zu frieden, als er weiter sprach: "Sehen Sie! Jedes Instrument hat einen bestimmten Klang. Sein individuelles Timbre."
    Bei diesen Worten schien sich die Stärke seiner Stimme zu verdreifachen, verstärkt und klanglich abgerundet durch den Korpus des wertvollen Violinholzes. Claudio horchte dem Klang seiner veränderten Stimme nach. Endlich schien der Musiker wieder aus seiner Versunkenheit zu erwachen. Er sah auf und musterte MYLADY mit einem schlauen Blick durch den Vorhang seiner langen seidigen Wimpern. Er trug sich gerade mit der Hoffnung, sie beeindruckt zu haben, als ihm zwei Umstände bewusst wurden. Zum einen gab MYLADY seinen Blick so voller Hohn und Spott zurück, dass ihm ganz ängstlich wurde.
    Hatte er sich auf eine ihm noch unklare Weise unsäglich blamiert?
    Zum anderen schwangen die beiden Saiten, eben von seiner Stimme in Bewegung gesetzt, statt nun wieder langsam zur Ruhe zu kommen, immer stärker und stärker. Sie verwandelten den von ihnen eingefangenen sanften Klang seiner Stimme in einen hohen, kreischenden Ton, nur zu vergleichen mit dem einer Kreissäge.
    Und gleichzeitig, und das nahm er erst jetzt wahr, veränderte dieses diabolische Instrument seine materielle Beschaffenheit. Was Claudio jetzt mit seinen zarten Musikerfingern fühlte wurde weicher und weicher, schlüpfriger. Es begann sich in seinen Händen zu winden wie ein riesiger Grabwurm.
     
    ******
     
    Während dieser Geschehnisse, die in dem Musiker Claudio einen unvergesslichen und durchaus verändernden Eindruck hinterließen, war die Stimmung im Eiscafe Venezia zunächst eine wesentlich leichtere und fast als frivol zu bezeichnen.
    Tweeford lachte, Sophia lachte. Beide hätten nicht genau zu sagen gewusst, worüber. Gerade wurde eine Riesenschal e Banana-Split für Sophia gebracht, die auf ihren besonderen Wunsch hin mit einer großen Menge Moccabohnen verziert war.
    "Das ist eine der wenigen Schwächen, die ich mir leiste: Eis", kommentierte Sophia die Darbringung ihres Eisbechers.
    "Für eine kleine Schwäche ist das aber ein ziemlich großes Eis", versuchte der Butler witzig zu sein und prustete wieder los.
    Sophia beschenkte ihn mit einem gekonnten Augenaufschlag: "Ich hoffe, man sieht mir diese Schwäche nicht schon an", fischte sie nach einem Kompliment.
    "Ach, Sophia!", begann Tweeford und griff, irischem Temperament entsprechend über den Tisch nach ihren Händen. Dabei schob er ihre Handtasche über den Tischrand, so dass sie Sophia auf den Schoß rutschte und von dort aus auf den Boden fiel. Sophia lachte und bückte sich unter den Tisch nach ihrer Tasche.
    "Sehen Sie! Ihre liebreizende Nähe macht mich ganz ungeschickt. Ich benehme mich mit meinen fünfzig Jahren und den grauen Haaren wie ein tollpatschiger junger Hund", klagte Tweeford sich an und platzierte während dieses Süßholzraspelns eine zusätzliche Moccabohne auf ihrem Eis.
    Sophia hatte endlich ihre Tasche wieder eingeräumt und hängte sie diesmal an die Stuhllehne. Gekonnt begann sie ihr Eis weiter zu essen, immer um die Moccabohnen herum. Sie lachte: " Das Beste lasse ich mir immer bis zum Schluss."
    Auf Tweefords Stirn erschienen kleine Schweißperlen.
     
    *****
     
    Claudio wollte seine Hände von dem unheimlichen Wesen lösen, das unter seinen eitlen Fingern entstanden war. Aber es gelang ihm nicht. Sie schienen in dieses immer weicher werdende nasse Gewebe eingesogen zu werden. Der Hals der Violine verwandelte sich in ein armlanges bewegliches Etwas, an dessen Ende sich so etwas wie ein Kopf zu bilden schien. Augen, die in allen Regenbogenfarben schillerten, erschienen an seinen Seiten. Der Musiker versuchte zu schreien, musste aber sofort einsehen, dass das ein schwerer Fehler in diesem ungleichen Kampf war, ein Fehler, der nicht mehr wieder gutzumachen war. Die Augen des Wesens glitzerten ihn bösartig an. Es bog sich zurück, wie eine Schlange, die zum Biss ausholt. Dann stieß es in Claudios Mund vor und verbiss sich in seiner Zunge. Der Schmerz wurde größer als sein Ekel. Mit aller Kraft schlug er die Zähne aufeinander, um das Wesen
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