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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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am Arm, doch sein Schlag wurde von dem massigen Gorillakörper gestoppt, und Paul stürzte zu Boden. Im nächsten Moment machte das Weibchen kehrt und verschwand zwischen den Büschen. Paul atmete tief durch. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Angriff war vorbei.
    Als er die rechte Hand des Silberrückens zurechtlegte, spürte er durch das weiche Fell die Körperwärme. Vorsichtig strich er über den behaarten Arm. Ein Zittern durchlief den am Boden liegenden, ehemals mächtigen Berggorilla. Schon lange hatte Paul kein Gorillafell mehr angefasst. Kindheitserinnerungen stiegen in ihm auf. Doch jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten. Mit einem gezielten Schlag trennte er die Hand vom Arm. Ein dumpfes Grollen ertönte aus der Brust des Gorillas. Die zweite Hand amputierte Paul ebenso schnell. Reiche Amerikaner zahlten gut dafür. Er hatte gehört, dass sie sie als Aschenbecher benutzten. Für den Kopf rief er zwei seiner Leute zu sich heran. Die Jungen Mugiraneza und Hitimana waren ihm gerade am nächsten und trabten auf ihn zu. Zu dritt legten sie das schwere Tier so in Position, dass es gerade auf dem Rücken lag. Aus den Einschusslöchern in der Brust quoll Blut auf Pauls Hände. Er wischte es an Hitimanas Fußball-T-Shirt ab. Dann hob er seine Machete und hackte den Kopf ab. Mit einem Schlag. Das sollte ihm erst mal einer nachmachen. Die meisten brauchten mindestens zwei bis vier Schläge, bis das zähe Fleisch, die Nackenwirbel und die Haut komplett durchtrennt waren.
    Er griff sich den Kopf des Berggorillas und drückte ihn zusammen mit den Händen dem wartenden Offizier in die Arme. Auf dem Rückweg würde er sie hier abholen. Dann scheuchte er die Arbeiter wieder in ihre Erdlöcher. Sie hatten schon genug Zeit verloren. Die Kette seiner Soldaten war ins Stocken geraten, doch als er mit ernster Miene auf sie zuschritt, gingen sie eilig weiter. Immer tiefer in den Dschungel hinein.

6
    Ugandisches Tiefland, 10. Juni
    Tom schreckte aus dem Schlaf auf. Er war schweißgebadet und sank wieder in die Laken, den Blick leer an die Decke gerichtet. Dann schloss er die Augen noch einmal und ließ die Bilder des Traumes an sich vorbeiziehen. Seit Jahren wurde er von demselben Albtraum heimgesucht: Eine eiskalte Winterlandschaft, in der sein Bruder in das Eis eines Flusses einbrach. Jens’ um Hilfe flehende Augen. Die eigene Handlungsunfähigkeit. Im Laufe der Zeit waren die Träume seltener geworden, daher war Tom irritiert, ausgerechnet jetzt damit konfrontiert zu sein.
    Er erinnerte sich an die Deutungsversuche einer Freundin, wehrte sich aber sofort gegen diese dahergeredete Küchenpsychologie. Frühkindliche Traumata, eine überpräsente Mutter oder ein gestörtes Sexualleben – um mehr ging es dabei doch meist nicht. Seine Kindheit aber war behütet gewesen, ohne große Auffälligkeiten – wenn man mal von der Sache mit seinem Bruder absah –, so wie es sich damals am Rande einer Kleinstadt im Münsterland eben gehörte. Seine Mutter hatte sich meist ein bisschen zu viele Sorgen gemacht, aber das war alles im normalen Rahmen gewesen. Mütter machen sich nun mal Sorgen. Und nicht zuletzt führte Tom ein erfülltes Sexualleben. Er war zwar zurzeit nicht in einer Beziehung, aber Gelegenheiten für einen guten One Night Stand oder eine Kurzbeziehung mit einem attraktiven weiblichen Wesen, das ihm zudem sympathisch war, ergaben sich mit einer Regelmäßigkeit, über die er sich wirklich nicht beklagen konnte. Er schüttelte den Kopf, streckte sich, hob das Moskitonetz hoch und stieg aus dem Bett. Ein verspäteter Gecko huschte an der Wand entlang und ließ Tom noch einmal zusammenschrecken.
    Der extralange Toyota Land Cruiser stand bereits auf dem staubigen Parkplatz vor der Lodge, einer weitläufigen Hotelanlage mit kleinen Bungalows, in der sie die Nacht verbracht hatten. Eine lange Fahrt durch das ugandische Tiefland lag vor ihnen. Eine Tour, die genug Zeit lassen würde, um sich innerhalb der Reisegruppe anzufreunden oder auch festzustellen, wem man lieber aus dem Weg ging. Er musste sich zwei Tage mit den anderen Reisenden arrangieren, danach würde er allein mit einem Guide und ein paar Trägern im Ruwenzori unterwegs sein.
    Das Gepäck wurde von den Angestellten der Lodge verladen. Schon jetzt am Morgen brannte die Sonne unerbittlich auf das Dach des Wagens, sodass Tom sofort beim Einsteigen das Fenster an seinem Platz in der letzten Reihe aufzog. Eine Klimaanlage hatte das Fahrzeug offenbar nicht.
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