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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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Beltanefest bescherte ihr unruhige Träume, in denen sie von Schatten verfolgt wurde, die ihr nach dem Leben trachteten. Gefahr schwebte wie eine dunkle Wolke über Gealach, und der Geruch des Todes hing in der Luft. Aber Hermit nahm ihre Warnungen nicht ernst.
    „Spürst du denn nicht die Dunkelheit, die nach uns greift? Wir müssen auf alles vorbereitet sein.“
    „Was nutzt dir eine Prüfung? Die Realität ist eine ganz andere Sache.“ Er umfasste ihren Arm und suchte ihren Blick.
    „Es ist mir gleich, was du denkst. Ich will es schaffen, verstehst du nicht? Wie sollte ich herausfinden, welche Gefahr uns erwartet? Du selbst hast gesagt, man solle seinen Gegner kennen. Alles leere Worte? Stattdessen verlässt du dich nur auf das Runenorakel und wartest ab. Irgendjemand hat die Dämonen gerufen. Ich fühle ihre Kälte.“
    Hermit seufzte und bedeutete ihr mit einer Geste, sich zu beruhigen. Das brachte sie nur noch mehr auf die Palme.
    „Ach, du willst mich ja gar nicht verstehen und nimmst meine Warnungen nicht ernst genug. Du bist alt und lethargisch geworden“, entfuhr es ihr. Sofort bereute sie ihre Worte, als er erbleichte und in sich zusammensackte. Noch nie war er ihr so alt und gebrechlich vorgekommen wie in diesem Augenblick. Ihre Wut verrauchte und schlug in Mitleid um.
    „Ich spüre das drohende Unheil bei jedem Atemzug. So wie damals, als Gordon Macfarlane das Tor geöffnet hat. Vielleicht versucht es wieder jemand?“
    Hermit schüttelte den Kopf. „Dann hätte ich die Zeichen gesehen. Die Runen lügen nie.“
    „Und wenn jemand das Runenorakel manipuliert hat? Versteh doch, Hermit. Weshalb führte der Pfad gerade mich zur Schattenwelt? Und dann das Gerede von Aidan und Revenant über das Einswerden. Das war so was wie eine Prophezeiung, davon bin ich überzeugt.“ Der Gedanke daran, Aidan könnte tatsächlich Revenants Ruf folgen und mit der Schattenwelt verschmelzen, war ihr unerträglich.
    Deutlich sah sie die Szene vor sich. Die Menhire, Aidan, Revenant und über ihnen der rote Himmel. Und diese bedrückende Stille. Die Qual in Aidans Blick saß wie ein giftiger Stachel in ihr.
    „Hermit ...“, flüsterte sie und hielt inne, als der Eremit erbleichte und zurückwich.
    „Du hast die Schattenwelt tatsächlich gesehen? Und Revenant und Aidan getroffen?“, fragte er. „Gütiger Gott. Du hast die Grenze überschritten. Das kann nicht sein. Es ist noch niemandem gelungen. Du darfst den Pfad der Dämonen nie wieder begehen, denn von jetzt ab schwebst du in Gefahr. Der Lord würde dich nie mehr gehen lassen.“ In seinen weit aufgerissenen Augen lag Furcht.
    „An mir beißt Revenant sich die Zähne aus.“ Amber bemühte sich, selbstbewusst zu wirken, obwohl nach ihren Erlebnissen der Zweifel an ihr nagte. Hermit erbleichte und wollte etwas erwidern, als sich plötzlich seine Miene verzerrte. Mit einem Stöhnen fasste er sich an die Brust und krümmte sich. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
    „Oh, mein Gott, Hermit, was ist? Hast du Schmerzen? Ich rufe besser einen Arzt.“ Sie zückte ihr Handy aus der Tasche und begann, die Notrufnummer einzutippen, als er abwehrend die Hand hob.
    „Nicht nötig. Passt schon. Geht schon wieder. Mein Herz macht nur manchmal nen Sprung zu viel.“
    Amber drückte die Wähltaste.
    „Wirklich. Es geht wieder.“
    „Bist du dir sicher?“ Ambers Sorge wuchs, als sie seine eingefallenen Wangen sah. Das Rufzeichen erklang.
    „Leg auf. Ich sagte doch, es geht schon wieder. Dauert nur nen Moment. Gleich ist alles wieder okay. Wirst sehen.“ Er atmete langsam ein und aus. Allmählich kehrte Farbe in sein Gesicht zurück. „Ich möchte dir noch etwas sagen, Amber.“ Seine Hände zitterten noch immer, als er sie näher an sich heranwinkte.
    „Meine Tage sind gezählt ...“
    „Hermit, lass den Quatsch. Was redest du da?“ Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass ihm etwas geschah, und wollte nicht alle Menschen verlieren, die ihr etwas bedeuteten.
    „Passt schon. Ich sagte doch, die Runen lügen nicht. Ich habe meinen Tod gesehen. Bald. Meine Kräfte verlassen mich jeden Tag ein Stückchen mehr. Aber ich sterbe in der Gewissheit, dass es dich gibt. Du wirst eine würdige Nachfolgerin, die Wächterin des Tores sein, wenn du eine Druidin bist.“
    „Ich bin eine Druidin, Hermit. Du hast mich so vieles gelehrt ...“
    „Noch nicht ganz. Du bist zu ungeduldig, zu impulsiv. Druiden beherrschen ihre Gefühle. Deshalb können sich ihre
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