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Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen
Autoren: Elke Meyer
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Kräfte auch bei Gefahr entfalten. Solange du deine Emotionen nicht im Griff hast, wirst du versagen.“
    „Ich habe meine Gefühle gut im Griff. Wir werden ja sehen, Hermit.“ Sie war es leid, mit ihm darüber zu diskutieren und sich verteidigen zu müssen. Irgendwann würde er schon einsehen, dass er ihren Kräften vertrauen konnte. Dennoch musste sie eingestehen, wie schwer es ihr gefallen war, sich bei den Angriffen der Dämonen auf ihre Fähigkeiten zu konzentrieren. Doch wenn es drauf ankam, fand sie immer eine Lösung. Wenn man sie ließe.
    „Sei vernünftig. Alles braucht seine Zeit der Reife, auch deine Kräfte. Später ...“
    „Später, später! Du willst es wirklich nicht begreifen. Die Zeit rennt uns davon“, herrschte sie ihn an und stemmte die Hände in die Hüften.
    „Amber, deine Erinnerungen und die Furcht um Aidan haben dich misstrauisch werden lassen. In den Runen ...“
    „Komm mir nicht schon wieder damit. Ich sehe mehr als diese Hölzchen.“ Er wollte den Arm um sie legen, aber sie entzog sich ihm. „Ich muss an die frische Luft, um den Kopf wieder freizukriegen. Vielleicht wirst du auch bald die Zeichen erkennen. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.“
    Sie schwang sich vom Sofa und eilte zur Terrassentür hinaus, weil sie sonst erstickt wäre.

-4-
    A mber betrat die Terrasse, auf der Cecilia an dem ausladenden Teaktisch Kräuter sortierte. Wie immer trug sie einen Jogginganzug, der an Knien und Ellbogen verschlissen war. Die Hexe ging Hermit seit geraumer Zeit im Haushalt zur Hand. Der Alte vermochte sich an manchen Tagen wegen seiner Gicht kaum zu rühren. Amber fühlte sich in Cecilias Nähe unwohl. Nicht, dass diese ihr unfreundlich entgegentrat, im Gegenteil. Aber in ihren Augen lag ein abweisender Ausdruck. In Gealach genoss sie Anerkennung, weil sie sich für soziale Projekte engagierte. Alle sagten nur Gutes über sie. Trotzdem misstraute Amber ihr.
    „Ach, hallo, Amber, wie schön, dass du Hermit wieder besuchst.“ Cecilia setzte ein strahlendes Lächeln auf, das aus einer Zahnpastawerbung stammen könnte.
    „Hallo.“ Amber verspürte nach der Auseinandersetzung mit Hermit nicht die geringste Lust auf einen Small Talk mit der schrulligen Frau, nickte ihr zum Gruß zu und spazierte quer über den Rasen. Der Garten war ebenso Hermits Leidenschaft wie sein Leben nach den Regeln der Natur. „In jedem Halm spürst du die Schöpfung“, pflegte er immer zu sagen, und ein Leuchten trat in seine Augen. Besonders liebte er die Kräuter, die er hegte und pflegte, und die alte Rose aus seinen Kindertagen. Für Amber barg jeder Winkel hier Erinnerungen, die sie lieber vergessen wollte, wie an den Morgen, als Dad gestorben war und sie mit Kevin an Hermits Tisch gesessen hatte. Nichts ließ sich ungeschehen machen, obwohl sie alles dafür gegeben hätte.
    Amber schlenderte zu einem der vielen Kräuterhochbeete, die Hermit selbst angelegt hatte. Sein Wissen um Rezepturen für jede Erkrankung beeindruckte Amber immer wieder aufs Neue. Seit unzähligen Generationen reichten Druiden dieses Wissen an ihre Nachfolger weiter. Amber war eine wissbegierige Schülerin, die seine Worte wie ein Schwamm aufsaugte und ihm nacheiferte.
    Ihre Vorwürfe vorhin waren ungerecht gewesen, und sie bedauerte es zutiefst.
    Der süßliche Duft von Magnolienblüten lag in der Luft und lockte zahlreiche Insekten an. Die Frühlingssonne vertrieb ihre trüben Gedanken. Amber liebte diesen Baum besonders, ebenso wie Hermit. Die Magnolienblüten schienen vollkommen. Bäume besaßen für Druiden eine besondere Bedeutung, etwas Heiliges. Sie waren tief verwurzelt und verliehen dem Leben Festigkeit, vergleichbar mit Heimattreue. Amber fühlte sich im Gegensatz zu Hermit nicht verwurzelt, sondern wie Treibholz, das an ein ungewisses Ufer geschwemmt worden war. Die Magnolienblüte in jedem Frühjahr war überwältigend. Leider dauerte sie nur kurze Zeit. Wie das Leben, dachte Amber und verspürte einen Anflug von Traurigkeit. Ihr Blick glitt über den großzügigen Garten, dessen Mitte eine Findlingsgruppe zierte, Hermits Druidensteine, auf denen er Rituale zelebrierte. Gelbe und blaue Krokusse unterbrachen das zarte Grün des Rasens, der mehr von einer Wildblumenwiese besaß als einem Zierstück.
    Schlurfende Schritte verrieten, dass er ihr gefolgt war. Sie wollte mit ihm genauso wenig streiten wie mit Aidan, und doch geschah es in der letzten Zeit oft, viel zu oft.
    Amber drehte sich um und sah ihm entgegen. Sein
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