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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman
Autoren: Jan Schröter
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und pflückte das nervige Gerät von der Decke, wo es lediglich ein Magnetplättchen befestigt hielt. Stieg ab, trat zur Spüle und ließ den Rauchmelder lässig in den wassergefüllten Bräter plumpsen, über dem immer noch der Hahn rauschte. Der Signalton jaulte ein letztes Mal auf und vergurgelte dramatisch. Gesche drehte resolut den Wasserhahn zu.
    »Neumodischer Schiet. Braucht kein Mensch.«
    Fredo trat zu ihr und warf kopfschüttelnd einen Blick auf das Stillleben Gefluteter Bräter mit ertränktem Rauchmelder über verkohltem Schweinefleisch. Das schöne Essen, dachte er. Schade.
    Gesche lachte auf. »Ich hab noch Suppe! Wirst schon nicht verhungern, Junge. Nicht bei mir. Setz dich!«
    Fredo tat ihr den Gefallen und setzte sich an den Küchentisch. In der Villa gab es selbstverständlich ein Esszimmer. Aber wenn Gesche Regie führte, wurde werktags in der Küche gegessen. So war es immer gewesen, und Fredo fand das sehr gemütlich. Sogar jetzt. Durchs offene Fenster zogen die Rauchschwaden überraschend schnell ab. Das war gut. Schlecht war der kapitale Rußfleck an der ursprünglich weiß getünchten Decke. Genau genommen bestand fast die ganze Decke aus einem einzigen Rußfleck. Erst der Benz und nun das. Wenn das so weitergeht, dachte Fredo, erkennen Markus und Nicole ihr Hab und Gut nach drei Monaten nicht mehr wieder. Gesche kam ihm allerdings auch irgendwie verändert vor, obwohl sie äußerlich in ihrer blau-weißen – wenn auch rußfleckigen – Küchenschürze so adrett und drahtig daherkam wie eh und je. Flink deckte sie den Tisch, dann füllte sie tiefe Teller mit dampfender Gemüsesuppe. Es roch gut. Suppe brennt ja auch nicht an, dachte Fredo und wartete artig, bis Gesche ihm gegenüber Platz nahm.
    »Guten Appetit, mein Junge.«
    »Dir auch, danke.«
    Es schmeckte gut. Und wenn sie nicht über den verbrannten Braten reden wollte, dann eben nicht. Wahrscheinlich ging ihr das an die Hausfrauenehre. Gesche widmete sich ihrer Suppe, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Ein bisschen merkwürdig fand Fredo es schon, dass sie ihn gar nicht über die Fahrt, den Abflug von Nicole und Markus oder sein Leben in Berlin ausfragte. Die meisten hätten das wohl spätestens jetzt getan. Allerdings war Gesche schon immer etwas anders als die meisten gewesen. Er könnte ja auch von sich aus ein paar Fragen stellen.
    »Wie geht es dir, Gesche?«
    Sie unterbrach ihr Suppenvertilgungswerk und musterte ihn forschend, beinahe misstrauisch. »So rührend besorgt? Du hast etwas angestellt, stimmt’s? Unterwegs?«
    Fredo dachte an den zerbeulten Benz und fühlte sich ertappt. »Ich meine nur – so lange, wie wir uns nicht gesehen haben …«
    Gesche schmunzelte. »Mein Fredo. Lügt sich um den heißen Brei herum – aber immer charmant.« Sie füllte ihm noch eine Kelle aus dem Suppentopf nach und stellte den Topf zurück auf den Herd. »Mehr gibt’s nicht. Sonst reicht es nicht für Karla und Tim.«
    »Danke. Wann kommen die beiden denn?«
    »Na, wie du! Trödeln wahrscheinlich wieder herum.«
    Die Haustür klappte, jemand kam herein und weiter in die Küche. Wie den Rest seiner Familie hatte Fredo auch seine Nichte Karla zuletzt vor zwei Jahren gesehen. Die damals Dreizehnjährige war in seiner Erinnerung ein fadenscheiniges Mädchen mit dünnem Haar und piepsiger Stimme, die nur Emotionen erkennen ließ, wenn es um Haflinger, Shetlandponys und andere Pferde ging – ein Fachgebiet, auf dem Fredo in etwa so versiert war wie in Quantenphysik, weshalb sich die Kommunikation zwischen Onkel und Nichte aufs Allernotwendigste beschränkt hatte. Guten Tag, Onkel Fredo, auf Wiedersehen, Karla. Mehr war nie gewesen.
    »Guten Tag, Onkel Fredo.«
    Die Stimme voll und selbstbewusst, keine Spur piepsig. Auch der Rest verschlug Fredo kurzfristig die Sprache: Karla war nicht nur gewachsen, sondern fraulich gerundet. Und schien sich, ihrer eng auf Figur geschnittenen Kleidung nach zu urteilen, dessen auch sehr bewusst zu sein. Ob ihre Haare schon immer diesen Honigmelonenton gehabt hatten, wusste Fredo nicht mehr genau. Aber irgendwas hatte sie damit gemacht. Jedenfalls hingen sie nicht mehr strähnig herab, sondern schmiegten sich in verspielter Fülle um ihr hübsches Gesicht, in dem die Augen einen besonderen Akzent setzten – hellblau mit Silberglanz, wie bei einem Schlittenhund. Gesches Augen, erkannte Fredo und erinnerte sich an Fotografien der jugendlichen Gesche: Karla sah ihrer Urgroßmutter
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