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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman
Autoren: Jan Schröter
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ähnlich.
    »Hallo, Karla«, raffte sich Fredo endlich zur Begrüßung auf. Seine Nichte beachtete ihn nicht weiter. Sie stellte ihre Schulsachen ab, die sie in einer gigantischen Umhängetasche transportierte, ließ ihren Husky-Blick durch die ramponierte Küche irrlichtern und scannte in Sekundenbruchteilen das Ausmaß der Katastrophe.
    »Ist was explodiert? So schnell schon?«
    »Setz dich, Essen steht auf dem Herd«, bemerkte Gesche gleichmütig.
    Karla lugte in den Topf, rümpfte die Nase und ließ den Deckel angewidert fallen. »Bloß Suppe? Lasst mich raten, was ist das da in der Spüle – Lava?«
    »Die Suppe ist spitze«, versuchte Fredo zu vermitteln.
    »Werd nicht frech, Fräulein!«, fuhr Gesche auf.
    Karla winkte genervt ab. »Ich hole mir nachher ein Sandwich. Hoffentlich reicht mein Geld bis zum Sommer. Falls Gesche die Bude nicht sowieso vorher abfackelt!«
    »Junges Fräulein!«
    »Altes Weib!«
    Damit stürmte Karla aus der Küche. Der Suppenlöffel, den Gesche ihrer Urenkelin wutentbrannt, aber viel zu spät hinterherwarf, fiel laut scheppernd zu Boden. Fredo verfolgte die entgleiste Kommunikation atemlos und traute sich erst wieder das Wort zu ergreifen, als Gesche tief durchatmete und sich einen neuen Löffel aus der Besteckschublade besorgte.
    »Läuft das öfter so zwischen euch?«
    Gesche löffelte bedächtig ein paar Portionen ihrer längst erkalteten Suppe. Als Fredo schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, sagte sie mit leiser Stimme: »Manche Menschen verstehen sich gut, andere verstehen sich zu gut.«
    Er wusste nicht genau, was er davon halten sollte – also nickte Fredo nur verständnisvoll. Gesche legte ihm spontan die altersfaltige Hand auf den Unterarm.
    » Wir verstehen uns gut, mein Fredo.«
    »Aber sicher, Oma.«
    »Nicht Oma. Gesche, bitte.«
    Darauf hatte sie stets bestanden. Sie war Gesche, nicht Oma. Omas waren alt. Bald neunzig, aber immer noch eitel.
    »Gesche. Entschuldige bitte.«
    Sie lächelte. »Vielleicht redest du mal mit dem jungen Fräulein. Das war eben nicht nett von ihr.«
    Da hatte sie nicht unrecht, fand Fredo. Er stand auf und angelte sich Karlas Riesenumhängetasche mit den Schulsachen darin. »Ich bringe ihr die Tasche. Hat sie noch oben ihr Zimmer?«
    »Treppe hoch, zweite Tür rechts«, antwortete Gesche präzise. Sie räumte das Geschirr ab und stapelte es routiniert in die Spülmaschine. Bevor Fredo die Küche verließ, wandte sie sich noch einmal zu ihm um und mahnte mit erhobenem Zeigefinger: »Und mach heute ja deine Schulaufgaben ordentlich, Junge!«

    Auf Fredos wiederholtes Klopfen hin kam keine Antwort. Also sparte er sich den dritten Versuch und trat einfach ein. Klara lümmelte auf einem ausladenden Sofa und ließ die flinken Fingerchen virtuos über den Touchscreen ihres Handys fliegen. Sie blickte nicht einmal auf, als Fredo die Tür hinter sich in voller Absicht geräuschvoller als nötig schloss. Ignorante Göre. Er ließ die Umhängetasche in gespielter Erleichterung aufs Sofa plumpsen, direkt neben ihre Füße.
    »Was transportierst du da in dem Wahnsinnsteil – Luxemburg?«
    Keine Reaktion. Wer sich so abschotten kann, bräuchte eigentlich kein dermaßen großes Zimmer. Bestimmt dreißig Quadratmeter, schätzte Fredo. Mit wenigen, teuer aussehenden Möbeln elegant, vor allem aber funktionell eingerichtet. Es wirkte effizient und erwachsen. Als einzig sichtbare Konzession an Karlas fünfzehn Jahre hing über dem Bett ein Poster von Robert Pattinson. Vielleicht war es auch einfach nur übrig geblieben. Keine Pferdebilder mehr. Aber auf einem Regal neben dem Schreibtisch stand ein kleiner Käfig, an dem ein selbstgemaltes Schildchen klebte: HOME OF SPEEDY. Erst hielt Fredo den Käfig für unbewohnt, doch dann entdeckte er darin eine weiße Maus. Das Tier lag langgestreckt auf der Seite neben einem faustgroßen Heuhäuflein und hechelte apathisch. Hinter dem sichtbaren Schlappohr wucherte knotig etwas, was dort nicht hingehörte – da war sich Fredo trotz seiner mangelhaften Kenntnisse bezüglich gesunder Mäusephysiognomie ganz sicher.
    »Hey, Speedy ist gerade nicht besonders gut drauf, was?«
    Karla legte das Handy weg und funkelte ihn genervt an. »Wenn du’s genau wissen willst: Ich auch nicht!«
    »Nein, so genau wollte ich es nicht wissen. Höchstens, ob du Gesche nur wegen momentan mieser Laune so derb angemacht hast. Oder steckt mehr dahinter? Dann wüsste ich es gern. Schließlich wohne ich hier für die nächste
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