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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman
Autoren: Jan Schröter
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wenn hier endlich mal Ruhe ist.«
    Fredo hatte mit einem Wutanfall des Chefautors gerechnet. Doch da hatte er sich getäuscht. Plöger hob nur kurz skeptisch die Brauen und legte dann sein in zahllosen Kreuzberger Nächten verlebtes Gesicht in sorgenvolle Falten.
    »Fertig werden ist das eine. Es muss aber auch gut werden. In der Chefetage ist die Hölle los, sage ich euch! Die Zuschauerquote ist schon wieder um 0,2 Prozent gesunken. Wir müssen viel mehr Kracher abliefern …«
    Fredo wandte sich wieder seinem Monitor zu und schaltete die Ohren auf Durchzug, während Bert Schmidtbauer seine Knittergarderobe durchschwitzte und ebenso bemüht wie hilflos versuchte, Plöger mit pseudokreativen Vorschlägen zu beeindrucken, wie man ihre Hauptfigur Lara durch die Achterbahn der ganz großen Gefühle jagen könnte. Als Dialogautor fühlte sich Fredo für Problemlösungen nicht zuständig. Nicht im richtigen Leben, und im Fall der schmalspurigen Telenovela »Lara – eine Unschuld in Berlin« schon mal gar nicht. Das sollten sich die anderen hübsch alleine überlegen, wie man der schwächelnden Quote auf die Sprünge helfen könnte …
    Gleich fragen sie mich, ahnte Fredo. Zeit für den Notausstieg. Bevor er seine interne Liste probater Ausreden zum vorzeitigen Verlassen brotloser Palaver nach der geeigneten Abgangsfloskel durchforsten konnte, vibrierte sein Mobiltelefon in der Hosentasche. Er zog es diskret heraus und sah aufs Display: eine SMS von seinem Bruder mit der Bitte um Rückruf. Mit Markus hatte Fredo zuletzt zu Weihnachten telefoniert, vor gut drei Monaten. Seitdem herrschte Funkstille. Nicht, weil sie sich gestritten hätten. Sie stritten nie miteinander, sie hatten sich bloß nichts zu sagen. Jetzt jedoch schien irgendetwas anzuliegen. Geburtstag vergessen? Fredo rekapitulierte angestrengt sämtliche Geburtsdaten von Markus, dessen Frau und Kindern – die lagen alle erst in der zweiten Jahreshälfte. Möglicherweise war etwas mit Oma Gesche, die ging immerhin schon hart auf die neunzig zu … Plötzlich registrierte er, dass Plöger und Bert ihre Debatte eingestellt hatten und ihn schweigend anstarrten.
    »Vielleicht legt Herr Fried wenigstens das Handy weg, wenn er sonst schon nichts zum Thema beiträgt!«
    »Mein Bruder«, Fredo wedelte entschuldigend mit dem Mobiltelefon. »Ich soll ihn anrufen. Dringende Familienangelegenheit.«
    Plöger zeigte sich ungewohnt nachsichtig. »Okay, ich mach Schluss für heute! Aber die 129 steht morgen früh, ich verlasse mich auf dich, Fredo!«
    Zusammen mit Plöger verließ Fredo das Büro. Während der Chefautor eiligst zum Fahrstuhl strebte, suchte sich Fredo auf dem langen Flur eine ruhige Ecke zum Telefonieren. Zu viel Stress würde er sich heute Nacht mit dem Drehbuch nicht mehr machen, allen Plögerschen Appellen zum Trotz. Während der letzten acht Jahre hatte Fredo für etliche Produktionen geschrieben, auch für weitaus ambitioniertere Formate als »Lara – eine Unschuld in Berlin«, und dabei vor allem eines gelernt: Fernsehautoren dichteten meist für die Tonne und im Erfolgsfall für flüchtige Flimmerkistenmomente. Wozu also als TV-Schreiber Herzblut investieren? Bei einer Dünnbrett-Novela wie »Lara« kam man in dieser Hinsicht gar nicht erst in Versuchung – höchstens kurzfristig, wenn man sich wie Fredo vorhin damit abmühte, an feinsinnigen Formulierungen für komplexe Gefühle zu feilen. »Ich liebe dich«, das musste reichen. Keine Ambitionen – kein Frust. Kein Problem für Fredo.
    Markus sah so etwas naturgemäß ganz anders. Sein großer Bruder unternahm nie einen Handschlag ohne peinlichste Kosten-Nutzen-Kalkulation. Null Ambitionen, null Frust, da stünde für Markus unterm Strich ein klares Ergebnis: Nullsummenspiel, Finger davonlassen. Fredo erinnerte sich dumpf, dass sie sich über dieses Thema während des weihnachtlichen Telefonats sogar doch ein wenig gestritten hatten. Zumindest fast, mit leicht erhobener Stimmlage. Mehr Funkenschlag lag bei Markus nicht drin. Vermutlich rechnete sich ein Streit unter Brüdern für ihn einfach nicht. Was er wohl jetzt von Fredo wollte?
    Gibt nur einen Weg, es herauszufinden, dachte Fredo und griff seufzend zum Handy. Markus meldete sich so schnell, als hätte er sein Telefon seit Versendung der SMS gar nicht beiseitegelegt.
    »Fredo? Hey – schneller Rückruf, Respekt.«
    »Hättest du mich sofort angerufen, wär’s noch schneller gegangen.«
    »Ich wollte sichergehen, dass du ein paar
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