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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman
Autoren: Jan Schröter
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schwimmt einfach immer mit. Kommt eigentlich aus Düsseldorf und hat mit der Eintracht nichts am Hut, aber wenn gerade nur Eintracht-Fans da sind – kein Problem. Flexible Interessengemeinschaften bilden, das macht glücklich. Schätzungsweise. Bei Bert schien es jedenfalls zu funktionieren.
    Der Aprilabend überraschte mit rosa Sonnenuntergangswölkchen und einem Hauch von Frühling, den nicht einmal die Berliner Luft zu verpesten vermochte. Fredo atmete tief durch, stellte seinen inneren Autopiloten auf Heimatkurs und trottete gedankenverloren los. Offen bleiben. Wechselnde Allianzen schließen. Sich nicht festlegen und nicht festlegen lassen. Das machte sexy. So kam man durch. Sonst hing man ganz schnell so drin wie sein Bruder Markus: Provinz, Kinder, Tretmühle. Und eine lauwarm abgeschmackte Ehe, die ausgerechnet eine Dienstreise nachwürzen sollte. Schreckliche Vorstellung. Sandra und er würden niemals so enden. Sie kreisten auf unterschiedlichen Umlaufbahnen, aber mit genügend Überschneidungen, um die Leidenschaft Sternschnuppen sprühen zu lassen. Was für ein schönes Bild. Fredo war stolz auf sich. Außerdem war ihm plötzlich verschärft nach Leidenschaft zumute. Zum Glück hatte er sein Ziel erreicht: einen hochwertig renovierten Altbau, in dessen ausgebauter Dachetage Sandras vermögende Eltern ihrem Herztöchterlein ein geräumiges Appartement gekauft hatten. Alles vom Feinsten, Fredo musste nur mit einziehen. Was er bereits drei Monate nach dem fulminanten Blattschuss im Tiergarten getan hatte.
    Fredo ging durch den Eingangsbereich zum Lift und fuhr bis zur Endstation im Fünften. Von dort aus ging es über eine Treppe weiter zu ihrer Wohnung unterm Dach. Die Tür war nur zugeschnappt, nicht abgeschlossen, Sandra also zu Hause. Wahrscheinlich vor der Glotze, dachte Fredo. Hoffentlich lief nicht ausgerechnet »Lara – eine Unschuld in Berlin«. Eben wollte Fredo die Schuhe abstreifen, da hörte er Sandra stöhnen.
    Hochgradig lustvoll.
    Er hätte gleich gehen können. Doch es zog ihn unwiderstehlich über den Flur hin zum Schlafzimmer, aus dem Sandras Stöhnen und eindeutig männliches Grunzen drang. So ein Klischee kauft dir nicht mal die SIGMA ab, fuhr es ihm durch den Kopf – dann riss er die Zimmertür auf. Sandra ritt ekstatisch auf einer sich unter ihr windenden Gestalt. Unbekleidet sah Plöger noch schlimmer aus als sonst. Er entdeckte Fredo zuerst und schoss so abrupt hoch, dass es Sandra wie einen abgeworfenen Rodeo-Reiter rücklings in die Federn haute.
    Fredos Blick nagelte Plöger fest, dem schon wieder die Schweißperlen auf der Stirn standen. Wortlos wandte er sich ab.

2.
    D u hast nichts gesagt?« Markus schüttelte verständnislos den Kopf. »Feige geschwiegen?«
    »Bedrohlich geschwiegen.«
    Sie fuhren in Markus’ schnieker Mercedes-350er-Limousine auf dem vierspurigen Zubringer zum Hamburger Flughafen. Vom Rücksitz aus stellte Fredo interessiert fest, dass die Tachomarkierungen bis 260 Stundenkilometer reichten. Das sah nach Spaß aus. Markus hielt sich natürlich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Aber Markus säße auf dem Rückweg nicht mehr hinter dem Lenker. Und Nicole, das Krampfhuhn, nicht auf dem Beifahrersitz. Eigentlich fand Fredo seine Schwägerin meistens ganz nett. Farblos, aber nett. Jetzt allerdings wirkte sie enorm angespannt. Es ging nach China. Für ein Vierteljahr. Markus und Nicole hatten Fredo am Hamburger Hauptbahnhof abgeholt, um gleich mit ihm zum Flughafen weiterzufahren. Dort würden die beiden gen Fernost einchecken und Fredo die Verantwortung fürs Heim, die Kinder und die Limousine übergeben. Nicole fühlte sich sichtlich unwohl dabei. Markus war immer noch mit Fredos Kurzreport des vorgestrigen Desasters beschäftigt.
    »Und dann bist du einfach gegangen?«
    »Jep.«
    Nur schnell die Umhängetasche mit seinem Notebook von der Garderobe gerafft. Raus aus der Wohnung, raus aus dem Haus. Noch nicht gleich raus aus Berlin – aber nur, weil ihm das Ziel fehlte. Fredo hatte eine billige Reisetasche, das Nötigste an Wäsche und eine Zahnbürste gekauft und sich in einem gesichtslosen Billighotel einquartiert, alle Kontaktversuche Sandras auf seinem stummgeschalteten Handy konsequent ignoriert. Nach einer ergebnislos durchgrübelten Nacht war ihm lediglich eins klargeworden: Für diese Lebenslage fehlte ihm das geeignete Bewältigungsprogramm. Er fühlte sich planlos reduziert auf die eigene Befindlichkeit, und die jaulte wie ein
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