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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Autoren: Hans Pfeiffer
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eines
    Kriminal-Tatsachenberichts.
    Der Rascher-Biograph Wolfgang Benz fragte, welche Hintergründe in der Persönlichkeit Raschers ihn zum Psychopathen machten, »aus welchen Ängsten, Entbehrungen, Kränkungen, Nöten seine Obsessionen resultierten«, die den Zwang in ihm entwickelten, zu töten und das Töten zu beobachten. Die Quellen, so Benz, reichten nicht aus, um das zu ergründen.
    Das mag für das Individuum Rascher zutreffen. Zugleich aber besaß Rascher auch Eigenschaften, die sich bei allen seinesgleichen wiederfinden. Leute wie Rascher, die zu sadistischen Handlangern und Nutznießern einer politischen Macht wurden, sind in der Regel keine starken Naturen, sondern Charakterschwächlinge, die nur stark sind mit der Macht des Systems im Rücken. Sie erlaubt ihnen, ihre Schwäche durch Gewalttaten zu kompensieren. Alle diese Funktionäre »funktionieren«, denn die Macht, in deren Dienst sie ihre Untaten begehen, gibt ihnen die Sicherheit, straflos zu bleiben, und dazu das gute Gewissen, recht zu handeln.
    Rascher wäre ohne das System, das ihn trug und das er trug, wahrscheinlich ein existenzunfähiges Nichts geblieben, wie seine Oberen, der gescheiterte »Kunstmaler« Hitler, der erfolglose Kunstdüngerhändler Himmler und all die andern.
    Wer mit Bestürzung die mörderische Laufbahn des Dr. Rascher verfolgt hat, denkt vielleicht, das sei längst Geschichte und für immer vorbei. Aber Rascher personifiziert eine Bedrohung, die der Menschheit seit damals immer deutlicher bewusst wird. Im Nürnberger Ärzteprozess sagte Prof. Ivy aus Chikago als Sachverständiger der Anklage aus. Ivy behauptete im Kreuzverhör der Verteidigung, dass jede kriegführende Macht das Recht zu solchen Menschenversuchen habe, wie sie in Hitlerdeutschland praktiziert wurden. Als er gefragt wurde, ob das nicht Verrat am hippokratischen Eid sei, entgegnete er, der Hippokratische Eid »bezieht sich auf die Funktion des Arztes als Therapeut und nicht als Experimentator. Der Teil, welcher sich auf den Eid des Hippokrates bezieht, ist der, dass er Respekt vor dem Menschenleben haben soll und vor dem Leben seines Patienten.«
    Ivy bekannte sich dann - eindeutig, wie er betonte - dazu, dass für den Arzt als Forscher nicht gelte, was für den Arzt als Heiler verbindlich sei.
    Die Kommentatoren zum Nürnberger Ärzteprozess, Alexander Mitscherlich und Fred Mielke, bemerkten dazu:
    »Damit erkennt Prof. Ivy ohne Zweifel für ärztliches Tun auch andere Leitgedanken an als die der Hilfe. Im Kriegsfall z.B. darf danach der Arzt sein Wissen - um die Leistungszusammenhänge des menschlichen Organismus - der kriegführenden Partei zur Verfügung stellen. Dies berührt aber im Fundament die ärztliche Freiheit, nämlich über den Parteien stehend den leidenden Menschen seine Hilfe zur Verfügung zu stellen. Man sieht, dass die Trennung von forschendem und praktizierendem Arzt bis in die humanen Grundverpflichtungen hinein die Wirkung des Arzttumes in sich selbst aufhebt; die rechte Hand weiß wirklich nicht mehr, was die linke tut. Der Forscher hilft einer Partei durch sein Wissen, die Menschen der anderen zu schädigen, und der praktizierende Kollege versucht sie dann wieder zu heilen ...
    Prinzipiell ist also - wie man sieht, nicht nur in Deutschland - die Lage des Arztes, in die er durch die technische Entwicklung und das Entstehen sozialer Riesengebilde wie der modernen Staaten geraten ist, so verwandelt, dass die unveränderte Anwendung der Hippokratischen Formel in ihrer archaischen Gültigkeit nicht mehr möglich ist... Solange man eine einende Formel für alle in der Heilkunde Tätigen in unserer Zeit nicht neu gefunden hat, muss man sich darüber klar sein, dass eine Trennung in Forscher und Praktiker mit verschiedenem Moralkodex nicht allein den Begriff des Arzttums sprengt, sondern auch zu zwei verschiedenen Humanitätsbegriffen führt. Denn es ist doch nicht einzusehen, warum dem Forscher erlaubt sein soll, im extremen Fall sogar vorsätzlich zu töten, was dem Arzt unter allen Umständen, nach dem immer noch gültigen christlichen Moralkodex sogar jedermann, verboten ist.«
    So stehen wir am Ende dieses Berichtes über mörderische Ärzte vor der beängstigenden Tatsache, dass prinzipiell und überall der Hippokratische Eid in seiner ursprünglichen Gestalt vergewaltigt und verraten werden kann. Und das nicht nur aus persönlichen egoistischen, sondern auch aus Staats- und machtpolitischen Gründen.

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