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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Autoren: Hans Pfeiffer
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Wunsch. Sie sagte, ich will Sängerin werden, und er stimmte ihr begeistert zu. Sie sagte, ich brauche Geld für Gesangsunterricht, und der Doktor zahlte. Sie wohnten jetzt in Philadelphia. Cora sagte, in New York gibt es bessere Gesangslehrer, und der Doktor mietete ihr eine Wohnung in New York. Dann behauptete sie, in London hätte sie als Sängerin mehr Chancen, und Crippen gab seine gutgehende Praxis auf und zog mit ihr nach London.
    Für Crippen erwies sich die Übersiedlung nach England durchaus als glücklich. Er praktizierte in London weiter als Arzt. Die kostspieligen Ansprüche seiner Frau zwangen ihn, sich einen Nebenverdienst zu suchen. Er übernahm eine Vertretung von Artikeln der Pharmaindustrie. So verdiente er recht gut und kaufte in einem Londoner Vorort ein Haus. Seine Praxis lag im Zentrum, er fuhr mit dem Bus dorthin. Seine Frau gab das Geld mit vollen Händen aus, für Gesangskurse, für Theater- und Variete-Agenten, die ihr Engagements versprachen, ihr aber nie welche verschaffen konnten, weil Coras Talent dafür nicht ausreichte.
    Aber wer es sich wie Cora in den Kopf gesetzt hat, Künstlerin zu werden, gibt nicht auf, selbst wenn ihn die Beweise seiner Untauglichkeit erdrücken müssten. Der Glaube an sich selbst ist stärker als die Realität, und hei manchem setzt er sich durch, und der scheinbare Versager wird zum Star. Cora war dieses Glück nicht beschieden. Aber sie klammerte sich hartnäckig an ihre Hoffnung, hielt sich mit ihrer Freigebigkeit in Restaurants und Cafes einen kleinen Hofstaat von Freunden und Freundinnen aus der Welt des Varietes - immer überzeugt, einst als Kollegin zu ihnen zu gehören.
    Dieses Leben gefiel anfangs auch dem kleinen Doktor ganz gut. Die Atmosphäre der Künstler hatte ihren eigenen Reiz für ihn. An der Seite seiner jungen extravaganten Frau fühlte sich seine unscheinbare Persönlichkeit aufgewertet. Dass Cora, wie jedermann wusste, auch andere Männer nicht verschmähte, ahnte er wohl, verdrängte es aber. Er liebte die »Schöne Elmore«, wie sie sich jetzt nannte, noch immer.
    Die Jahre vergingen, und mit ihnen vergingen Belle Elmores Schönheit und ihre Hoffnung auf eine Star-Karriere. Sie fand Trost im Alkohol und bei dem Varietekünstler Bruce Miller. Je mehr ihre Enttäuschung wuchs, desto hektischer suchte sie sich durch immer neue Freundschaften und lärmige Parties zu betäuben.
    Das alles half ihr nicht über die innere Leere hinweg, vertiefte sie nur noch. Sie geriet in eine permanente seelische Katerstimmung. Weil sie sich nach außen noch immer charmant zu geben wusste, kehrte sie ihren Frust gegen den Menschen, der sie bisher - wie es damals hieß - »auf Händen getragen hatte«. Die Kleinigkeiten des Alltags wuchsen sich zu Riesenproblemen aus, veranlassten Cora zu Zorn und Wutausbrüchen.
    Allmählich wurde dem Doktor ihr zänkisches Wesen immer unerträglicher. Sein Heim verwahrloste, war zu einer Rumpelkammer voll ungewaschenen Geschirrs, schmutziger Wäsche und staubiger Möbel geworden. Er fühlte sich nur noch in den Räumen seiner Praxis wohl. Hier sorgte Ethel le Neve, seine 20jährige Sekretärin, für Ordnung, Sauberkeit und Frieden. Ethel war keine beunruhigende Schönheit wie einst Cora. Aber sie hatte Cora eines voraus: sanftmütige Ergebenheit gegenüber dem Doktor. Und wenn Coras exaltiertes Wesen Crippen einstmals fasziniert hatte nun, nachdem es in Hysterie umgeschlagen war, sehnte er sich nach Anerkennung, Ruhe und Geborgenheit.
    Crippens Liebe zu Ethel erwachte nicht plötzlich wie damals bei Kunigunde. Sie wuchs, wie es beiden stillen Charakteren entsprach, langsam, aber stetig. Bis Crippen dann zum ersten Mal mit Ethel schlief und niemals mehr mit Cora.
    Es mag sein, dass Cora das auffiel. Und dass sich ihr Gefühl, verkannt zu werden von aller Welt, nun noch durch den Zorn verstärkte, auch von ihrem Mann zurückgestoßen, aufgegeben worden zu sein.
    Die Entfremdung der Eheleute, die Spannung zwischen ihnen vertiefte sich, wurde zum Dauerzustand.
    Wahrscheinlich erörterten die beiden unter diesen Umständen eine Scheidung. Aber der Preis, den Cora für ihre Einwilligung forderte, war für Crippen anscheinend zu hoch, hätte ihn ruiniert. So blieben sie weiter aneinandergekettet.
    Was Dr. Crippen in der Nacht des 31. Januar 1910 veranlasste, Cora zu töten, ist sein Geheimnis geblieben und wohl nur aus der Gesamtsituation der letzten Zeit seiner Ehe zu erklären. Dass er ihre Ermordung kühl vorausgeplant hatte,
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