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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald
Autoren: Frank Goyke
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Mann ohne Eigenschaften hatte die Mordkommission im Besprechungsraum versammelt. Der Kofferträger hatte Kekse besorgt, und Barbara dachte, dass sie bald etwas Zeit hätte herauszufinden, ob es noch saure Drops gab.
    »Kollegin Riedbiester!« Gunnar Wendel goss sich Wasser ein. »Ich denke, Sie beginnen.«
    »Ja.« Barbara hatte einen Kugelschreiber in der rechten Hand, mit dem kratzte sie sich am Nasenflügel. »Ich lasse Seans sexuelle Vorstellungen noch beiseite …«
    »Aber das ist doch das Interessanteste«, krähte der Lorbass.
    »Kollege Lutze!«, herrschte der Chef ihn an.
    »Sean ist von zwei Dingen regelrecht besessen. Neben den genannten Phantasien ist das der Wunsch, sich an seinen Eltern zu rächen. Wir wissen ja zur Genüge, was hinter solchen bürgerlichen Fassaden mitunter abläuft. Diese Mixtur aus emotionaler Vernachlässigung und Überforderung. Die Eltern wollen ein Kind nach ihren Vorstellungen formen, ein alter Hut. Die Jugendgang, das Bedrohen und Abziehen von wehrlosen Opfern, all das diente vor allem der Rache. Sean wusste, dass sein Vater ihn raushauen würde, aber stellt euch die Demütigung vor: der Sohn des Staranwalts als Straftäter! Und Sean wollte die Demütigung noch steigern, durch ein richtig schlimmes Verbrechen. Einen Mord. Und da kommen dann zugleich seine Phantasien ins Spiel. Die Tötung von Karina war kein Sexualverbrechen, gleichwohl hatte sie etwas mit Sexualität zu tun. Während man sie zu Tode prügelte, stellte er sich vor, an ihrer Stelle zu sein …«
    »Ist ja pervers.«
    »Kollege Lutze, Kriminalhauptkommissarin Riedbiester hat das Wort!«
    »Die Morde an den Wetterstroms waren, militärisch-modern gesprochen, ein Kollateralschaden. Bei Karina kann man dagegen von Vorsatz sprechen: Sean hatte seine Freunde schon lange darauf eingeschworen, bei einer günstigen Gelegenheit einen völlig beliebigen Menschen zu töten. Und dann kam Karina zur falschen Zeit an den falschen Ort.«
    »Die Macht des Schicksals«, bemerkte Breithaupt, und ihn wies der Chef nicht zurecht.
    »Tja, und kurze Zeit später standen die Jungs plötzlich mit fünf Leichen da. Da griff natürlich sofort der Fluchtimpuls um sich. Sean hielt sie aber zurück. Er suchte nach Wertgegenständen, allerdings nur bei Axel Wetterstrom, denn sie standen unter Zeitdruck. So fand er also dessen Börse, das Handy und den Autoschlüssel mit dem Mercedes-Stern. Und so kam er auf die Idee, Karina im Wagen der Wetterstroms fortzuschaffen.«
    »Warum nur sie?«, wollte Wendel wissen.
    »Er hatte ein Messer dabei. Mit diesem Messer hat er die Taube geköpft. Und nun …« Barbara musste durchatmen. »Der Reihe nach: Wenn sein Vater Zeit für ihn hatte, sind die beiden manchmal weggefahren. In den Lichtenhäger Tannen hat Pinkert seinen Sohn auch mal auf Waldwegen hinters Steuer gelassen. Sean wusste also, wie man ein Auto bedient. Die Jungen wickelten Karina in den Teppich und schleppten ihn zu dem Wagen, der unschwer zu finden war. Sean legte auch sein Fahrrad in den großen Kofferraum des Kombi und fuhr zu den Tannen, ohne aufzufallen. Beim Halt an einer Ampel hat er dann einen Blick in das Handschuhfach geworfen. Dort fand er Kranbauers dritten Brief.«
    Ann-Kathrin fragte: »Den hatte Wetterstrom bei sich?«
    »Allerdings. Der Brief enthielt außer Kranbauers Handynummer doch die Einladung, in der Umgebung von Wismar nach weiteren Schätzen aus der Schwedenzeit zu suchen. Wir wissen von mehreren Anrufen Wetterstroms, aber ob er sich wirklich auf die Raubgrabungen einlassen wollte, wird wohl für immer unklar bleiben. Sean steckte den Brief ein. Als er ihn zu Hause las, rief er Kranbauer einfach an, mit Wetterstroms Handy. Er sagt, dass er das spannend fand: mit einem Unbekannten irgendwo nach Schätzen zu suchen. Man könnte es damit bewenden lassen, weil es so schön kindlich klingt, nach Schatzsuche, Piraten, Wikinger … Ich vermute aber, dass eine bestimmte Phantasie in ihm aufstieg: Er sah eine machtvolle düstere Gestalt vor sich, die ihn irgendwo fern an einem magischen Ort namens Wald überwältigt, fesselt, quält – und auslöscht. Der Traum von vollkommener und endgültiger Hingabe.«
    Lutze konnte sich nicht zügeln: »Boah, Wahnsinn!«
    »Sean gab sich also für Wetterstrom und als interessiert aus. Er rief noch dreimal an, aber das Handy konnte er nicht mehr benutzen, weil der Akku herunter war. Als er es bemerkte, gab er es Kai, und der warf es in der Nähe seines Hauses in den Abfall. Als er das
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