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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald
Autoren: Frank Goyke
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Stadthafen zu betreuen. Da steht er sich jetzt die Beine in den Bauch und muss sich fragen lassen, warum es in Rostock so gefährlich geworden ist, dass man sich nicht mehr auf die Straße wagen kann.«
    »Ich hole ihn ab. Und du komm in die Puschen nach
Nienhagen West, Waldstraße, und zwar hurtig. Nimm deinen eigenen Wagen.«
    »Ich habe dienstfrei!«
    »Bei vier Toten ist dienstfrei aufgehoben.«
    »Vier?«
    »Darunter zwei Kinder.«
    »Oha!«
    »Sag ich doch. See you later, alligator!«
    Barbara schlüpfte nun wieselflink ins Bad. Ein Blutbad während der Hanse Sail würde wohl die bleibende Erinnerung an das diesjährige »Mega-Event« werden.
    ***
    Er fühlte sich von allen Seiten belästigt, und zwar von Geräuschen und Gerüchen. Rechter Hand drehte sich ein Riesenrad zu Konservenmusik, links pries ein Ausrufer sensationelle Zwiebel-und Gemüseschneider an, von irgendwo dazwischen brüllten die Lautsprecher eines Autoscooters Lena Meyer-Landruts Taken By A Stranger , das an allen Ecken und Enden schon so oft gespielt worden war, dass Uplegger die ersten Zeilen mitsingen konnte:
    She’s got a knuckle in her eye/ He knows her cat-call/ Can’t escape from telling lies/ I heard her saying …
    In seinem Blickfeld befanden sich etliche Buden, die dem Wohl des leiblichen Umfangs dienten – mit Bratwurst, Schaschlik, Krakauer, Pommes und noch mehr Bratwurst; der ganze Hafen roch nach altem Fett und geschmacksverstärkten Metzgerabfällen. Nur ein Stand gefiel ihm, genau genommen ein weißes Zelt, auf dem in hoffnungsfrohem Grün Helden der Liebe geschrieben stand. Es wurde nur zaghaft aufgesucht, in einem ruhigen Moment hatte Uplegger die wenigen Schritte hinüber gewagt und eine Broschüre mitgenommen: Was Sie als Frau über zeitgemäße Therapien bei Erektionsstörungen wissen sollten. Es ging um die Erektile Dysfunktion, im Volksmund schlicht Impotenz genannt. Darüber wollte er bei genauerer Überlegung gar nichts wissen, nicht als Frau und schon gar nicht als Mann. Aber trotzdem hob sich das stille Zelt da drüben wohltuend vom lauten Trubel ab.
    Jonas Uplegger beugte sich über seinen eigenen Tisch mit Informationsblättern zur Sicherheit von Haus, Wohnung und Handtasche und reckte den Kopf vor, wie er es in den letzten Stunden schon oft getan hatte. Marvin und Tim waren beim Stand Up Paddling im Segelstadion vor dem Neptun Einkaufscenter . Bei dieser Trendsportart paddelte man mit einem Surfbrett auf die Warnow hinaus, im Stehen. Laut Marvin war das »total easy«, das aber glaubte Uplegger nicht. Er wusste genau, dass er gern aus jeder Mücke einen Elefanten machte, und trotzdem hatte er Visionen von Schlingpflanzen, die Surfbretter umrankten und in die Tiefe zogen, und von Ausflugdampfern, die sie rammten. Er sah seinen Sohn verzweifelt gegen das Ertrinken kämpfen und rekapitulierte im Geiste, was dazu in gerichtsmedizinischen Lehrbüchern beschrieben war. Erstes Stadium: tiefe Aspiration, zweites: bewusste Apnoe, drittes: tiefe Inspirationen, viertes: tonisch-klonische Krämpfe, fünftes …
    Und dann sah er sie, noch bevor er bei den terminalen Atembewegungen angekommen war. Mit der arroganten Miene lässiger Sportsmänner schlenderten sie barfuß daher, Haare, T-Shirts und Bermudas völlig nass. In der einen Hand die Schuhe, in der anderen ein Eis. Uplegger fielen Felsmassive vom Herzen. Einer Frau, die irgendetwas gefragt hatte, drückte er irgendwelche Broschüren in die Hand, dann stürzte er auf die beiden Bengels zu.
    »Wie war es?«, fragte er, mühsam beherrscht.
    »Macht übertrieben Fun.« Marvin schleckte.
    »Waren auch Rettungsschwimmer da?«
    »Mann, Papa! Natürlich nicht. Nessie passt auf.«
    He drops a pause She looks annoyed But she’s so mean / She thinks he has to be the one …
    »Wir gehen später noch mal hin«, verkündete Tim und strich sich eine feuchte Strähne aus der Stirn.
    »Ich bin in einer Stunde fertig«, sagte Uplegger, »da könnten wir etwas gemeinsam … Riesenrad vielleicht?«
    »Rie-sen-rad?« Marvin schaute, als habe ihm sein Vater einen Beißring angeboten.
    »Oder nach Warnemünde, Windjammer beobachten?«
    »Das machen wir jedes Jahr. Voll langweilig. Wenn so ein Kasten wenigstens einmal absaufen würde …«
    »… oder ein Feuer ausbrechen an Bord«, schlug Tim vor.
    »Islamistischer Bombenanschlag.«
    »Tsunami!«
    Die Jungen kicherten. Uplegger warf einen Blick über die Schulter. Am Stand war Gunnar Wendel aufgekreuzt, der Leiter der
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