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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald
Autoren: Frank Goyke
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stand, führte der Kommissar die Zeugen zum Alten Forsthaus . Sie folgten, aber Wagenbach wurde noch missmutiger.
    Auf der Waldstraße kam ihnen Ann-Kathrin Hölzel entgegen, die ebenfalls zur Mordkommission gehörte. Sie nahm Uplegger beiseite.
    »Fünf Feriengäste halten sich gerade im Alten Forsthaus auf, dazu der Inhaber, seine Frau und drei Angestellte. Bei den Gästen handelt es sich um zwei Ehepaare aus Merseburg, eines davon mit Kind. Sie haben im Garten gesessen und es sich wohlsein lassen, das Kind spielte. Gegen 12:30 Uhr haben sie Schreie gehört. Sie sagen, dass sie keine einzelnen Worte unterscheiden konnten, meinen aber, es hätte irgendwie fremdländisch geklungen.«
    Uplegger schaute auf seine Uhr. Es war 16:03 Uhr.
    »Waren sie nicht beunruhigt?«
    »Nee, es waren auch junge Stimmen dabei. Da dachten sie, das werden wohl Erwachsene mit Kindern sein, die im Wald toben.«
    »Und die Angestellten?«
    »Die haben auch etwas gehört. Und sie haben ähnlich gedacht. Der Bystander-Effekt, du weißt schon: Niemand erwartet das Böse in der Nähe, und selbst Hilfeschreie hält man für einen Scherz.«
    Uplegger nickte. Schwach dämmerte ihm, vor vielen Jahren etwas von diesem Effekt gelesen zu haben, aber er erinnerte sich nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Der Inhaber des Alten Forsthauses erwies sich als entgegenkommender Mensch, der ihm den Frühstücksraum der Pension abtrat und sogar Getränke brachte. Durch die Fenstertüren konnte man die Ehepaare aus Merseburg sehen, die unter einem Sonnendach eng zusammengerückt waren; vermutlich war ihnen die Urlaubsstimmung verdorben. Nur das Kind, ein kleines Mädchen, grub versunken Löcher in den Sandkasten. Eine Frau rief es, doch es reagierte nicht. Schließlich stand die Frau auf, ging zum Sandkasten und brüllte das Mädchen an. Upleggers Ohr erreichten nur einzelne Worte wie »Wenn ich es sage«, »gehorchen« und »böse Menschen«, doch die Kleine schüttelte trotzig den Kopf. Daraufhin erhielt sie eine gepfefferte Ohrfeige, die den Tatbestand der Kindesmisshandlung erfüllte. Das Kind wurde noch störrischer. Es weinte nicht, vielleicht weil es an Schläge gewöhnt war, sondern warf mit Sand nach der Mutter. Nun mischte sich auch noch einer der Männer ein, der ebenfalls zum Sandkasten trat und in breitem Sächsisch auf beide einschrie: gemütlicher deutscher Ferienalltag. Als Uplegger die Bierflaschen auf dem Tisch unter dem Sonnendach entdeckte, wusste er Bescheid.
     
    Manfred Pentzien hatte Barbara vom Ort des Schreckens fortgeleitet, und der Weg führte nun nahe am Waldrand entlang. Die Wolken am westlichen Himmel wurden immer düsterer, es hatte sich auch ein warmer Wind erhoben, und die dunkle Waschküche kam mit beachtlicher Geschwindigkeit näher. Auf dem brachliegenden Acker tanzten Staubfahnen, manche ähnelten kleinen Tornados. In den Blättern der Laubbäume rauschte es, schlanke Stämme bogen sich bereits. Die Rotoren der Windräder drehten sich.
    »Dat givt noch wat.« Pentzien legte die Stirn in Falten; er dachte wohl daran, dass ihm ein Unwetter die Spuren verhageln könnte. Die Pfiffe einer Lokomotive drangen über das Feld.
    »Ist das etwa …?«
    »Der Molli.«
    »Den hört man bis hierher?«
    »So weit ist das gar nicht, und dann ist es ja plattes Land.«
    Der Waldpfad machte einen Knick, und Barbara bekam drei weiße Overalls zu sehen. Fragend blickte sie zu Pentzien.
    »Du wirst gleich sehen, was ich dir zeigen will«, sagte er.
    Nach ein paar Schritten sah sie es tatsächlich. Im Unterholz zwischen dem Weg und dem Feldrain hatte jemand aus Ästen und Brettern eine Bude errichtet, eine Art Baumhaus, nur zu ebener Erde. Das Zentrum der relativ geräumigen Konstruktion bildete ein Buchenstamm, und die Außenwände waren mit vertrocknetem Blattwerk verkleidet. Neben der Bude lagen ein paar Bretter herum sowie einige geschmeidige fingerdicke Äste. Überall standen Schilder der Spurensicherung. Die Nummer 107 erregte Barbaras besondere Aufmerksamkeit, weil sie eine Tüte mit langen Nägeln kennzeichnete. Die Schilder 108 bis 113 markierten Zigarettenkippen.
    »Das weckt Kindheitserinnerungen«, erklärte Pentzien.
    »Die Hütte oder die Kippen?«
    »Du kannst es nicht lassen, was? Ich bin in Dierkow aufgewachsen und von dort mit meinen Kumpels oft in die Rostocker Heide geradelt. Mein Gott, wir waren elf, zwölf, und eines Tages wollten wir uns auch so eine Bude zimmern. Die wurde aber nie fertig.«
    »Da es zu DDR-Zeiten war,
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