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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Autoren: Peter O'Donnell
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einen ausgestellten Kamelhaarrock und dazu eine zartgelb und weiß karierte Popelinbluse. Ihre flachen Schuhe waren aus semmelfarbenem Schweinsleder. Als sie Tarrant erblickte, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht, und sie kam ihm entgegen, um ihn zu begrüßen.
    «Sir Gerald. Ich freue mich wirklich, daß es Ihnen möglich war, zu kommen.»
    «Ich bin unverbesserlich selbstsüchtig, meine Liebe.»
    Er ergriff ihre Hand und beugte sich darüber. Sie hob sie ihm ein wenig entgegen, damit er seine Lippen darauf drücken konnte, was ihm einen freudigen Stich versetzte.
    «Ist es für einen Drink noch zu früh?» Sie ging über die herrlichen Perserteppiche, die die elfenbeinfarbenen Fliesen teilweise verdeckten, an die kleine Bar in einem Alkoven.
    «Einen sehr kleinen Whisky mit Soda, vielleicht», sagte Tarrant. Er hätte gern die Teppiche bewundert, die auf seine Seele wie Balsam wirkten; hätte sich gern das neue Bild – es war ein Chagall – angesehen, das mit den andern an der mit Zedernholz getäfelten Wand hing; er hätte sich auch gern am Anblick der kleinen, antiken Ziergegenstände geweidet, die auf den breiten, geschwungenen Eckborden zwanglos arrangiert waren.
    Sicher harrten seiner dort wieder Überraschungen, denn sie ersetzte die Stücke immer wieder durch neue.
    Aber obgleich ein Dutzend Attraktionen seine Aufmerksamkeit verlangt hätten, sah er doch nur Modesty Blaise an und betrachtete das Spiel ihrer Hände und bloßen Arme, während sie seinen Drink mixte.
    «Sie haben schönes Wetter herbeigezaubert», sagte sie und überreichte ihm das Glas. «Ich wußte gar nicht, daß das Außenministerium einen derartigen Einfluß hat.»
    «Wir opferten gestern nacht bei Vollmond zwei Mädchen vom Civil Service», sagte Tarrant und zuckte die Achseln. «Anscheinend hatten wir damit mehr Erfolg als mit einigen anderen Operationen in jüngster Zeit.»
    Sie blickte rasch auf. «Sie werden müde sein. Wollen Sie uns wirklich heute Gesellschaft leisten?»
    «Meine Liebe», entgegnete er aufrichtig, «ich kann mich nicht erinnern, mich jemals mehr auf einen Tag gefreut zu haben.»
    «Fein.» Sie lächelte wieder. «Würden Sie mich fünf Minuten entschuldigen? Ich war gestern abend aus und möchte mir noch den Nagellack entfernen.»
    «Selbstverständlich.» Tarrant blickte sich im Zimmer um. «Sie können mich hier stundenlang allein lassen, ohne daß ich mich langweile. Wird Willie hierherkommen?»
    «Willie ist seit zwei oder drei Tagen hier. Er muß jede Minute fertig sein. Zu seinem Schlafzimmer kommen Sie durch diesen Gang und dann links, wenn Sie ihn holen wollen.»
    «Ich will ihn nicht drängen …» Tarrant unterbrach sich und starrte zur Tür. Ein kleines Mädchen war auf der Schwelle erschienen, die, wie er wußte, zu Modestys Schlafzimmer führte. Das Kind war etwa elf oder zwölf Jahre alt, schätzte Tarrant. Ein zartes Geschöpf mit glattem, olivfarbenem Teint und großen, dunklen Augen. Es trug ein ärmelloses blaues Kleid aus grobem Leinen mit einer gezogenen Passe, weiße Kniestrümpfe und Sandalen aus weichem Leder. Das dunkle Haar hatte es mit einem breiten weißen Haarband zurückgebunden. Aus dem Gesicht sprach die Unschuld einer Raffael-Madonna.
    «Das ist Lucille Brouet», stellte Modesty vor.
    «Komm her, Liebling. Ich möchte dich mit einem Freund von mir – und von Willie bekannt machen. Es ist Sir Gerald Tarrant.»
    Lucille kam zögernd nach vorne und streckte ihre schmale Hand aus.
    «Guten Tag», sagte sie schüchtern. Ihr Englisch hatte einen schwachen Akzent. Als Tarrant ihre Hand ergriff, machte sie einen kleinen, höflichen Knicks.
    «Hallo, Lucille.» Tarrant kam sich sehr unbeholfen vor. Er konnte mit Kindern einfach nicht umgehen, und er wußte das.
    Entweder war er zu herzlich mit ihnen oder zu streng. Auch jetzt wußte er nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Lucille war für ihn etwas völlig Neues. Er hatte keine Ahnung, wo er sie im Leben von Modesty Blaise und Willie Garvin hätte einordnen können.
    «Lucille geht in Tanger zur Schule», erklärte Modesty. «Sie verbrachte einen Teil ihrer Ferien hier.» Sie faßte das Kind liebevoll an der Schulter und drehte es herum. «Du lieber Gott, wer hat sich an deinen Haaren zu schaffen gemacht?»
    «Es war so lang, Modesty.» Die Stimme klang weich und zerknirscht. «Ich bat Weng, ein Stück abzuschneiden, aber er wollte nicht. Also bat ich Willie, und er tat es. Jetzt eben.»
    «Aber wir ließen es doch eigens wachsen, damit
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