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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Autoren: Peter O'Donnell
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wir es ordentlich frisieren können.»
    «Ja, ich weiß, Modesty.»
    Tarrant stellte erleichtert fest, daß Modesty Blaise dieser Argumentierung gegenüber ebenso hilflos war wie er.
    Sie schüttelte den Kopf und lachte. «Laß gut sein. Wenn du es kurz haben willst, werde ich es dir schneiden. Willie ist nicht gerade ein Genie auf diesem Gebiet. Und nun unterhalte dich ein wenig mit Sir Gerald, und ich werde mich fertig machen.»
    Tarrant seufzte heimlich, als er Modesty in ihrem Schlafzimmer verschwinden sah. Es reizte ihn sehr wenig, sich den Anstrengungen einer Konversation mit Lucille zu unterziehen – nicht ihretwegen, sondern wegen seiner eigenen Unzulänglichkeit. «Nun … macht es dir Spaß, eine Zeitlang keine Schule zu haben?» fragte er und bemühte sich, einen ungezwungenen Ton anzuschlagen.
    «Es ist sehr schön hier», antwortete Lucille höflich.
    «Aber ich gehe auch sehr gerne zur Schule.»
    Tarrant wollte wieder etwas sagen, aber er zögerte.
    Was ihm auch einfiel, alles sah danach aus, als wollte er das Kind ausfragen. Modesty hatte ihm nicht gesagt, wer das Mädchen war und welche Beziehungen es zu ihr hatte. Es gehörte sich also nicht, Fragen zu stellen.
    «Lucille …» sagte er und blickte gedankenvoll auf die Decke. «Ich finde, das ist ein sehr schöner Name.»
    «Danke. Wollen Sie nicht Platz nehmen?» Sie machte eine ungelenke Geste mit ihrem mageren Arm.
    «Äh, vielleicht, nun ja.» Tarrant ging zu der schwarzen Ledercouch. «Und – äh – wie wirst du dir heute die Zeit vertreiben?»
    «Weng wird mich in den Zoo führen, und wir werden dort essen», antwortete sie in ihrer sanften, präzisen Sprechweise.
    «Äh … in den Zoo. Du liebe Güte. Wie lange ist das her, daß ich dort war.»
    Tarrant bemerkte verzweifelt, daß er jeden Satz mit ‹äh› begann und daß er bereits anfing, allzu herzlich zu werden. Lucille brachte einen kleinen Beistelltisch mit zarten Beinen und einer Einlegearbeit auf der Platte herbei und stellte ihn neben Tarrant. Er murmelte ein «Danke schön» und stellte sein Glas auf die Platte.
    «Entschuldigen Sie.» Sie beugte sich über Tarrant hinweg, während sie sprach, und nahm eine zusammengefaltete Zeitung, die neben ihm auf dem Sofa lag.
    «Ich räume das nur weg.» Für einen Moment verlor sie das Gleichgewicht und lehnte sich an ihn. Dann zog sie sich hoch und trat mit der Zeitung in der Hand rasch zurück. Nervös und verlegen sagte sie: «Verzeihen Sie mir bitte, ich war ungeschickt.»
    «Nun, die Hauptsache, wir haben das Glas nicht umgestoßen», sagte Tarrant mit einem, wie er hoffte, aufmunternden Lächeln. «Erzähl mir doch, was du nach dem Essen machen wirst.»
    «Moment mal!» Willie Garvins Stimme war von eisiger Schärfe.
    Tarrant sah sich um und sah ihn mit langen Schritten aus dem Durchgang kommen. Er trug eine anthrazitgraue Hose und eine leichte Golfjacke mit Reißverschluß. Normalerweise war das sonnengebräunte, kantige Gesicht freundlich, und in den blauen Augen unter dem dichten, blonden Haar saß der Schalk, aber jetzt trug es einen Ausdruck des Zorns und der Enttäuschung. Lucille erstarrte und hielt die Zeitung an sich gepreßt. Überrascht sah Tarrant, wie sich ihre großen Augen einen Moment lang trotzig verengten, dann drehte sie sich um und wollte auf Modestys Schlafzimmer zulaufen. Willie nahm die drei Stufen mit einem Satz, sauste durch das Zimmer und schnappte sie an ihrem dünnen Arm. Sie zerrte herum, um sich freizumachen, gab aber rasch auf und überschüttete ihn mit einem Schwall französischer Worte.
    «
Je n’ai rien fait, Willie! Rien, je te dis
…» Tarrant vermochte dem Geschnatter kaum zu folgen.
    Willie brachte sie in derselben Sprache zum Schweigen. «
Tais-toi, petite voleuse
!» Er kam zu Tarrant zurück, der ganz verdutzt dasaß.
    «Es tut mir leid, Sir Gerald.» Willie sah richtig verlegen aus. Er blickte auf Lucille herab, die er noch immer am Arm hielt. «Los, gib sie zurück und entschuldige dich.»
    Aller Trotz war jetzt aus Lucilles Gesicht verschwunden. In ihren Augen, die voll Tränen standen, war nichts als Zerknirschung. «Verzeihen Sie», flüsterte sie und hielt ihm die Zeitung hin. Das Blatt entfaltete sich, und Tarrant sah darin seine Brieftasche liegen; dieselbe, die er in seiner Brusttasche getragen hatte.
    «Du lieber Himmel», sagte er überrascht und sah Willie an.
    «Alte Gewohnheiten», meinte Willie mit einer hilflosen Handbewegung. «Es tut mir schrecklich leid.»
    «Ach …
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