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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Autoren: Peter O'Donnell
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Päckchen Gauloise auf, zündete zwei an und reichte eine Willie. «Nun – was war da los mit Lucille?»
    «Sie zog Sir Geralds Brieftasche», sagte Willie resigniert. «Was, zum Teufel, soll ich mit ihr nur tun, Prinzessin?»
    Modesty sah Tarrant halb entschuldigend, halb amüsiert an. «Nein, tatsächlich?»
    «Leider ja. Ganz offensichtlich erschien ich ihr als leichter Fall. Und sie hatte natürlich recht. Allerdings muß ich feststellen, daß ich nicht auf der Hut war. Es fehlte die Tafel: ‹Achtung, Taschendiebe›.»
    «Wie sind doch kleine Mädchen süß», seufzte Willie.
    «Früher bildete ich mir ein, sie würde mir die Pantoffel bringen, aber das einzige, was sie bis jetzt für mich getan hat, war, mir meinen Parker-Füllhalter zu klauen.»
    «Das war vor mehr als zwei Jahren», protestierte Modesty. «Du weißt genau, daß sie uns seither nichts mehr genommen hat.»
    «
Uns
nicht, vielleicht. Aber nach drei Jahren in einer Klosterschule dürfte man nicht mehr annehmen, daß es sie noch immer in den Fingern juckt.»
    Tarrant hatte inzwischen seine Zigarre in Brand gesetzt und blies den Rauch aus. «Darf ich fragen, wer sie ist?» erkundigte er sich höflich.
    «Eigentlich gehört sie Willie.» Modesty streifte die Schuhe ab und bewegte ihre bestrumpften Zehen. «Er las sie eines schönen Tages, vor etwa drei Jahren, außerhalb von Algier auf. Ein Wagen war auf der Straße in die ganze Familie hineingefahren – ihr Vater, die Mutter und ein Esel. Lucille hatte das Bein gebrochen. Die andern waren alle tot.»
    «Ist sie Araberin?» fragte Tarrant.
    «Sie ist zu einem Viertel Französin, vielleicht auch nur zu einem Achtel; das konnten wir niemals ergründen. Ihre Familie besaß kein Heim. Alles, was ihnen gehörte, trug der Esel.»
    «Aha. Und das war noch in den Tagen, da Sie Ihren verschiedenen ungesetzlichen Tätigkeiten nachgingen und ‹Das Netz› leiteten?»
    «Ja. Als Lucille aus dem Spital kam, hatte Willie nicht das Herz, sie in einem Waisenhaus oder etwas Ähnlichem zurückzulassen. Und so hat er nun seine Probleme.» Tarrant sah im Rückspiegel, wie Willie grinste, als er sagte: «Du warst es doch, die sie im Spital in einem Privatzimmer unterbrachte, Prinzessin. Und du hast auch Soultier aus Paris kommen lassen, damit er ihr zerschundenes Gesicht mit ein bißchen plastischer Chirurgie wieder in Ordnung brächte.»
    «Ach …» Modesty machte eine wegwerfende Handbewegung, und Tarrant amüsierte es, sie einmal in der Defensive zu sehen. Harmlos fragte er: «Ist Weng nicht auch ein solches Findelkind, das Sie aufgelesen haben, Modesty?»
    «Hört auf, euch gegen mich zu verschwören», rief sie. «Es ist Willies Findelkind, das zur Debatte steht.»
    «Nur zu wahr.» Willies Gesicht verdüsterte sich wieder. «Die Schwierigkeit liegt darin, Sir Gerald, daß sie mit Stehlen und Betteln großgezogen wurde. Letztes Jahr waren wir in Tanger und hielten uns in Modestys Haus auf, während das Kind Ferien hatte. Was, glauben Sie, tat sie eines Tages? Sie fand irgendwo ein paar alte Lumpen, zog sie an, wälzte sich im Schmutz, schlich zur Medina, lieh sich ein Baby aus und zog damit herum; bettelte Touristen an. Du lieber Bimbam …»
    Er rieb sich verzweifelt das Genick.
    «Und ausgerechnet eine der Nonnen aus der Schule entdeckte sie», sagte Modesty.
    «Genau.» Willie seufzte. «Mutter Bernard stellte die Sache so hin, als wäre das alles meine Schuld gewesen.»
    «Weil du versucht hast, dich über das Ganze lustig zu machen, Liebling.» Modesty sah Tarrant an. «Lucille hatte dreieinhalb amerikanische Dollar, zwölf englische Shilling und an die fünfzig Dirham eingenommen. Willie sagte zu Mutter Bernard, daß das seiner Ansicht nach nicht so übel sei.»
    Tarrant lehnte sich zurück und lachte aus vollem Halse.
    Ihre dunklen Augen leuchteten zufrieden: «So ist’s schon besser. Sie sahen sehr abgespannt aus, als Sie kamen.»
    «Es tut mir leid, wenn ich es mir anmerken ließ.» Er klopfte die Asche von seiner Zigarre ab. «Wir hatten großes Pech diese Woche.»
    «Etwas Ernstes?»
    Er zuckte die Achseln. «Das weiß man nicht immer sofort. Eine Menge kleine Dinge gingen schief.» Er zögerte. «Außerdem verlor ich gestern einen Mann in Prag.»
    «Das tut mir leid.» Für einen Moment legte sie ihre Hand auf die seine. «Einen guten?»
    «Zufälligerweise den besten, den ich dort hatte. Aber letzten Endes trifft einen jeder Verlust, egal, ob der Mann gut oder weniger gut
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