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Mitternachtspalast

Mitternachtspalast

Titel: Mitternachtspalast
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Die drei kletterten rasch durch den Zugang, den Peake kurz zuvor geschaffen hatte. Der Mann mit der Kapuze lächelte in die Dunkelheit.
    »Einen merkwürdigen Ort hast du dir zum Sterben ausgesucht, Leutnant Peake«, murmelte er vor sich hin.
    Hinter einen Stapel leerer Kisten weiter hinten im Keller gekauert, beobachtete Peake die drei Gestalten, die in das Gebäude krochen. Obwohl er ihn von dort nicht sehen konnte, wusste er genau, dass ihr Auftraggeber auf der anderen Seite der Mauer wartete. Er spürte seine Gegenwart. Peake zog seinen Revolver und drehte die Trommel, bis sich eine der beiden Patronen in der Kammer vor dem Lauf befand, wobei er das Klacken der Waffe durch die durchnässte Tunika dämpfte, die er trug. Er hatte keine Angst mehr, in den Tod zu gehen, aber er würde sich nicht alleine auf den Weg machen.
    Das Adrenalin, das durch seine Adern jagte, dämpfte den wütenden Schmerz im Bein, bis er nur noch ein leises, dumpfes Pochen war. Überrascht von seiner eigenen Ruhe, lächelte Peake erneut und blieb reglos in seinem Versteck hocken. Er sah, wie seine Häscher langsam durch die Gänge zwischen den leeren Regalen auf ihn zukamen, bis sie etwa zehn Schritte von ihm entfernt stehen blieben. Einer der drei Männer hob die Hand und deutete dann auf einige Fußspuren auf dem Boden. Peake hob die Waffe auf Höhe der Brust, zielte und spannte den Hahn.
    Auf ein weiteres Handzeichen hin teilten sich die drei Männer auf. Zwei von ihnen gingen in einem langsamen Bogen in Richtung des Kistenstapels, der dritte kam genau auf Peake zu. Der Leutnant zählte lautlos bis fünf und stieß dann den Kistenstapel auf den Angreifer. Die Kisten stürzten über seinem Gegner zusammen, und Peake rannte zu der Maueröffnung, durch die sie gekommen waren.
    Einer der Mörder stürzte durch einen Quergang auf ihn zu und hielt ihm das Messer knapp vors Gesicht. Bevor der Kerl siegesgewiss grinsen konnte, bohrte sich der Lauf von Peakes Revolver unter sein Kinn.
    »Lass das Messer fallen«, zischte der Leutnant.
    Der Mann sah Peakes eiskalten Blick und tat wie geheißen. Peake packte ihn brutal bei den Haaren und wandte sich, ohne die Waffe sinken zu lassen, den Komplizen zu, wobei er seine Geisel als Schutzschild benutzte. Die beiden anderen Mörder kamen lauernd näher.
    »Leutnant, erspar uns die Szene und gib uns, was wir suchen«, murmelte eine vertraute Stimme hinter ihm. »Diese Männer sind brave Familienväter.«
    Peake wandte sich zu dem Mann mit der Kapuze um, der ein paar Meter von ihm entfernt in der Dunkelheit stand und grinste. Es war noch nicht lange her, da hatte er dieses Gesicht als das eines Freundes geschätzt. Jetzt konnte er in ihm seinen Mörder sehen.
    »Ich puste dem Kerl den Kopf weg, Jawahal«, stieß Peake hervor.
    Seine Geisel schloss zitternd die Augen.
    Der Mann mit der Kapuze verschränkte geduldig die Arme und seufzte gelangweilt.
    »Nur zu, Leutnant«, erwiderte er, »aber das wird dich nicht hier rausbringen.«
    »Ich meine es ernst«, entgegnete Peake und bohrte die Mündung des Revolvers in das Kinn des Mannes.
    »Natürlich, Leutnant«, sagte Jawahal versöhnlich. »Schieß nur, wenn du den Mumm hast, kaltblütig und ohne den Befehl Seiner Majestät einen Mann zu ermorden. Sonst lass die Waffe fallen, und wir können eine Lösung finden, mit der uns beiden gedient ist.«
    Die beiden bewaffneten Mörder waren reglos stehen geblieben, bereit, sich auf das erste Zeichen des Manns mit der Kapuze auf ihn zu stürzen. Peake lächelte.
    »Also gut«, sagte er schließlich. »Wie findest du diese Lösung?«
    Peake stieß seine Geisel zu Boden und fuhr mit erhobenem Revolver zu dem Mann mit der Kapuze herum. Der erste Schuss hallte durch den Keller. Die ausgestreckte, behandschuhte Hand des Mannes mit der Kapuze tauchte aus der Pulverwolke auf. Peake sah das verformte Projektil in der Dunkelheit aufblitzen, wo es sich langsam in einen Faden flüssigen Metalls verwandelte und zwischen den spitzen Fingern zerrann wie eine Handvoll Sand.
    »Schlecht gezielt, Leutnant«, sagte der Mann mit der Kapuze. »Versuch’s noch einmal, aber diesmal von näher.«
    Bevor Peake auch nur einen Muskel rühren konnte, packte der Mann mit der Kapuze seine Hand mit der Waffe und hielt sich die Mündung vors Gesicht, genau zwischen die Augen.
    »Hat man dir das nicht in der Militärakademie beigebracht?«, zischte er.
    »Wir waren einmal Freunde«, sagte Peake.
    Jawahal grinste verächtlich.
    »Diese Zeiten,
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