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Mitternachtsflut

Mitternachtsflut

Titel: Mitternachtsflut
Autoren: Gabriele Ketterl
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Domingo mit einer hübschen, dunkelhaarigen Engländerin, Humberto und „Rothaar“ schienen fest miteinander verwachsen zu sein, ihre scharfen Augen erkannten im nicht freigegebenen Bereich, Raul und eine süße Blondine auf einer der Liegen. Ja, sie musste es sich eingestehen, sie sehnte sich nach den festen Armen, die sich um sie schlossen und ihr anzeigten, wohin sie gehörte. So sehr sie dieses hier, das oberflächliche und doch liebevolle Geplänkel, eine Weile genossen hatte, jetzt wollte sie bei denen sein, die sie als ihre Zukunft betrachtete. Manolo und Miguelangel! Je mehr sie sich umsah, desto verlorener und fehl am Platze fühlte sie sich. Dummerweise schien sich das auf ihrem Gesicht wiederzuspiegeln. Roberta sprang unvermittelt auf und eilte zielstrebig zu Humberto. Als sie wieder kam, balancierte sie zwei Cocktailgläser die verdächtig nach etwas sehr Leckerem aussahen. Kaum hatte Marie es in der Hand stieg ihr der Duft von Schokolade und Rum in die Nase. „Lumumba? Roberta, ich wollte eigentlich bald gehen und ich muss auch noch mit dem Auto fahren.“
    „Ich habe mir schon so was gedacht, aber das kannst du knicken. Ich muss hier bis nach Mitternacht auf Craigh warten, er macht sowieso ne Stunde früher Schluss, aber du lässt mich jetzt nicht alleine. Vergiss es!“ Roberta hob ihr Glas und prostete der Freundin lächelnd zu. „Na komm,“ meinte sie, als sie Maries nachdenkliches Gesicht sah, „du kommst noch früh genug zu deinem Manolo und wem auch immer.“ Marie horchte auf. „Was meinst du mit „wem auch immer“ wenn ich fragen darf?“
    Roberta sah sie mit ihren klugen Augen fragend an. „Marie, du willst mir nicht erzählen, dass du nur wegen der Ruhe und Einsamkeit andauernd dort in den Bergen herumhängst. Entweder hast du doch einen Vaterkomplex und stehst auf Manolo – wobei ich das irgendwo sogar verstehen könnte – oder dort ist noch jemand anderes. Irgendwas ist da doch im Busch.“ Marie trank hastig fast die ganze Lumumba aus. Roberta hatte schon immer eine gute Beobachtungsgabe gehabt. Mist! „Manolo ersetzt mir die Familie, die ich nicht mehr habe. Ich genieße die Zeit mit ihm wirklich sehr. Aber ihr seid mir genauso wichtig, das musst du mir glauben.“ „Oh ja, das merke ich. Da bist du endlich mal an einem Abend wie diesem wieder hier bei uns und doch bist du geistig irgendwo im Nirwana. Yepp, ich sehe schon wie wichtig wir dir sind.“ Roberta klang ein klein wenig beleidigt. „Das ist nicht wahr, das weißt du.“ „Na komm, du machst es mir nicht leicht das zu glauben.“ Himmel war die Frau schwer zu überzeugen. Marie leerte ihren Cocktail, stellte das Glas beiseite und streckte der Freundin die Hand entgegen. „Los komm, tanzen!“ Endlich entspannte sich Roberta und folgte Marie mit Freuden auf die Tanzfläche. Beim Tanzen fielen auch die negativen Gedanken ein wenig von Marie ab und sie begann tatsächlich Spaß zu haben.
    Eine Stunde und noch eine Lumumba später wechselten sich in Maries Kopf Freude und Wehmut in regelmäßigen Abständen ab. Eigentlich wäre sie jetzt wirklich gerne gefahren, noch dazu nachdem sie seit geraumer Zeit eine seltsame Unruhe erfasst hatte, doch ihr Alkoholpegel hielt sie vernünftiger Weise zurück.
    Sie hätte wirklich jemanden gebraucht, der sie in die Arme nahm und einfach nur beruhigte und festhielt. Dafür war Roberta jetzt nicht ganz die Richtige.
    Sie kamen gerade wieder einmal von der Tanzfläche zurück, als Maries Blick auf die kleine Anhöhe in der Mitte der Anlage fiel. Dort stand – elegant in Pose geworfen und von allen bewundert – Angelique und neben ihr kein anderer als Vicente. Verflixt, jedes Mal vergaß Marie sich darauf vorzubereiten wie gut er aussah. Das schwarze Hemd, das lässig über die engen Jeans fiel, war bis zur Brust offen und zeigte seine diversen Ketten und Anhänger. Die nach hinten gekrempelten Ärmel gaben nicht nur den Blick auf die zahlreichen Armreifen und Lederbänder frei, sondern auch auf seine starken sehnigen Arme. Die langen Locken fielen ihm in die Stirn und an seinen Ohren blitzen, jedes Mal wenn er sich leicht bewegte, seine großen Creolen. Dass Angelique seit ewigen Zeiten auf ihn abfuhr, wusste Marie nur zu gut. Als Marie mit ihm liiert gewesen war, wäre sie wohl tausend Mal gestorben und zwar keine schönen Todesarten, wenn Blicke hätten töten können. Jetzt sah die Blondine natürlich ihre Chance gekommen, gerade an einem Abend wie heute, an dem sie der
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