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Mitternachtserwachen

Mitternachtserwachen

Titel: Mitternachtserwachen
Autoren: Linda Mignani
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Lacktisch. Aileen hatte lange nach den richtigen Möbeln gesucht und war bei einem Onlinehändler fündig geworden, der die ersehnten Lackbänke mit Polstern im Streifendesign herstellte. Wie leichtsinnig sie das Geld ausgegeben hatte, als Ralph noch lebte. Er hatte als Webdesigner gut verdient und arbeitete von zu Hause aus. Aileen war für den Bürokram zuständig gewesen, und sie hätten die Hypothek von The Lily nach zehn Jahren abgelöst, wenn alles nach Plan verlaufen wäre. Aileen schlug sich mental ins Gesicht, sie durfte sich nicht in Erinnerungen verlieren. Aileen besaß jetzt ihre eigene Firma und musste nach vorn blicken.
    Sie starrten auf das große smaragdfarbene ledereingebundene Buch mit weißen Intarsien, die die Vorderseite zierten. Aileen runzelte die Stirn. Manchmal war man blind den offensichtlichsten Tatsachen gegenüber. Die Muster waren die gleichen Schriftzeichen, die den schwarz-weißen Mosaikboden schmückten. Sie könnte schwören, dass die Fliesen einen grünlichen Schimmer besessen hatten, als sie die Küche das erste Mal besichtigt hatte, passend zu den grünen Siebzigerjahre-Schränken. Die Küche glich damals einem Raum aus einem Manor de Horror, das Zeugnis eines fürchterlichen Geschmacks, und der Boden hatte keine Symbole auf der Oberfläche gehabt.
    Verlor sie ihren Verstand?
    „Haben die Fliesen ihr Aussehen verändert?“
    Brandy beförderte den Kaugummi in den Müllbeutel und musterte stirnrunzelnd den Boden. „Ne, wie kommst du denn darauf?“ Sie legte ihre kleine Hand auf Aileens Wange. „Fieber hast du nicht.“
    Aileen zuckte mit den Achseln und strich mit der Hand über den Buchdeckel. Schon beim ersten Mal war ihr aufgefallen, dass der Einband sich warm anfühlte. Der Wälzer wirkte nicht gefährlich, und er enthielt keine kritischen Rezepte wie Todesschlaf, Liebeszauber oder Pockenpulver. Sie machte sich unnötig Sorgen, so wie sie es immer tat.
    Vielleicht sollte sie das Buch zurück auf den Dachboden legen, vergessen, dass sie es je gefunden hatte. Aber die Anleitungen stellten ein Geschenk des Himmels dar. Magic Cleaning stand in den Startlöchern, und ihr fehlte ein fester Kundenstamm. Wenn sie den Auftrag in der Villa zur Zufriedenheit der Auftraggeberin erledigen würde, hatte sie ihr weitere Projekte in Aussicht gestellt. Sie wäre auf Wochen ausgebucht, da die Maklerin viele Landhäuser in ihrem Bestand hatte und Aileen auch an Firmenbesitzer weiterempfehlen würde.
    Was sollte ihr schon geschehen? Sie verkaufte nicht ihre Seele an Satan, sondern benutzte nur ein harmloses magisches Pulver, das ihr Blut und die Haare ihrer Freundin enthielt.
    Was hatte sie getan?
    Brandy schnappte sich einen Schokoriegel und biss vergnügt hinein. „Ich muss nach Hause, um auf Lynn aufzupassen.“
    Lynn war ihre jüngere Schwester und ein kleiner Teufel. Dhilan, ihr alleinerziehender Dad, hatte es nicht leicht, doch er versuchte alles, um seine beiden Lieblinge glücklich zu machen. Brandys Mutter war vor drei Jahren spurlos verschwunden, so wie mehrere Frauen in der Umgebung von Kirkcaldy. Aileen umarmte Brandy, und sie hielten sich einen Augenblick umschlungen. Wenn Aileen jemals eine Tochter hätte, dann sollte sie wie Brandy sein. Sie sah Brandy noch nach, als sie auf ihrem Rad auf der einsamen Landstraße verschwand, um zu ihrem einen Kilometer entfernten Heim zu fahren. Seufzend rief sie nach Togo und zog sich ihre Jacke über. Es war Zeit, ihre Unabhängigkeit in Angriff zu nehmen. Sie würde das Mordhaus putzen, bis es nur so blitzte, und sich nicht von einer Leiche beirren lassen, die schon längt beerdigt worden war. Sie zog die Tür hinter sich zu und ging zu ihrem Auto, wobei sie das Gefühl beschlich, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
     
    Aileen hielt den Lieferwagen eine halbe Stunde später vor dem Landhaus Silent Rose an. Der Motor erstarb mit einem Stottern, welches das unregelmäßige Schlagen ihres Herzens ergänzte.
    Eine Gänsehaut lief über ihren Körper, als trommelten Hagelkörner auf ihre Haut ein. Sie war froh, dass Togo hinter ihr auf der Rücksitzbank hechelte. Beherzt stieg sie aus und löste seinen Haltegurt. Togo starrte genauso wie sie auf das rote Backsteingebäude mit den weißen Fensterläden und der wunderschönen geschnitzten Tür in der gleichen Farbe.
    Überall blühten Rosen in unbeschreiblich vielfältigen Nuancen, die beinahe irreal wirkten. Doch das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Ein zweiter Blick
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