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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht
Autoren: Nora Roberts
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Beulen und blaue Flecken zurückbleiben, doch keiner ist wirklich verletzt.«
    »Aber das zwischen uns beiden ist kein Spiel.«
    »Ich habe dich schon verletzt.«
    »Bisher nur Beulen und blaue Flecken, Lena.« Er blieb stehen, stand ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüber. »Beulen und blaue Flecken.«
    »Was siehst du, wenn du mich anschaust? Jemanden, etwas anderes von früher. Du kannst kein Leben auf dem Tod aufbauen.«
    »Ich sehe dich mehr als deutlich. Aber ich sehe auch etwas anderes in uns beiden, das weder ignoriert noch vergessen werden darf. Vielleicht muss es erst wieder ins Lot gebracht werden, ehe wir weitergehen können.«
    Er griff in seine Tasche und zog Lucians Uhr heraus. »Die hier habe ich dir einmal geschenkt, vor mehr als hundert Jahren. Es ist an der Zeit, dass du sie wiederbekommst.«
    Ihre Finger wurden kalt bei der Vorstellung, sie zu halten. »Wenn das stimmt, musst du doch auch sehen, dass alles in Kummer und Tod und einer Tragödie endete. Wir können nicht ändern, was vorbei ist. Weshalb sollten wir das Risiko eingehen, es wieder aufleben zu lassen?«
    »Weil wir es müssen. Weil wir dieses Mal stärker sind.« Er öffnete ihre Hand, legte die Uhr hinein und schloss ihre Finger darüber. »Wenn wir es nicht ins Lot bringen, wird es nie wirklich aufhören, deshalb.«
    »In Ordnung.« Sie schob die Uhr in die Tasche des kurzen Jäckchens, das sie angezogen hatte. Dann löste sie die Uhr von ihrem Kleid. »Ich habe dir die hier einmal geschenkt. Nimm sie zurück.«
    Als er sie nahm und hielt, begann die Uhr, die einst im Flur gestanden hatte, zu schlagen.
    »Mitternacht«, sagte er vollkommen ruhig. »Sie wird zwölf Mal schlagen.« Und er sah auf das Zifferblatt der Emailleuhr, die er in der Hand hielt. »Mitternacht«, wiederholte er und zeigte es ihr. »Schau auf deine Uhr.«
    Ihre Finger waren nicht ganz so ruhig, als sie die Uhr hervorholte. »Mein Gott«, hauchte sie, als sie die beiden Zeiger ganz oben stehen sah. »Warum?«
    »Das werden wir herausfinden. Ich muss ins Haus.« Er blickte nach oben zum zweiten Stock. »Ich muss hoch ins Kinderzimmer. Das Baby...«
    Noch als er sprach, hörten sie die beunruhigten Schreie.
    »Lass uns einfach gehen, Declan. Lass uns ins Auto setzen und von hier wegfahren.«
    Aber er war schon auf dem Weg ins Haus. »Das Baby weint. Sie ist hungrig. Sie braucht mich. Lucians Eltern schlafen. Ich gehe immer zeitig nach oben, wenn er nicht zu Hause ist. Es ist mir zuwider, mit ihnen nach dem Abendessen im Salon zu sitzen. Ich spüre, dass sie mich hasst.«
    Seine Stimme hatte sich verändert, fiel Lena auf, als sie ihm folgte. Sie hatte einen Cajuneinschlag. »Declan.«
    »Claudine wird sie herumtragen oder ihr die Windel wechseln, aber meine süße Rosie braucht ihre Mama. Es missfällt mir, dass sie oben im zweiten Stock ist«, erklärte er, als sie den Korridor entlangeilten. »Aber Madame Josephine bekommt immer ihren Willen. Nicht immer«, korrigierte er, und dabei war ein Lächeln in seiner Stimme zu hören. »Bekäme sie ihn immer, wäre ich längst Alligatorfutter und nicht mit Lucian verheiratet. Morgen kommt er nach Hause. Ich vermisse ihn so sehr.«
    Als er die Treppe hochstieg, verlangsamte sich sein Schritt, und Lena hörte seine raschen Atemstöße. »Ich muss nach oben.« Das war jetzt seine eigene Stimme und sie klang ängstlich. »Ich muss hineingehen. Ich muss nachsehen.«
    Lena nahm all ihren Mut zusammen und legte ihre Hand in seine. »Wir gehen zusammen hinein.«
    Seine Hand zitterte. Die schneidende Kälte in der Luft bohrte sich in die Knochen. Sein Magen rebellierte, die Übelkeit stieg bis zu seiner Kehle. Er kämpfte gegen den Brechreiz an und stieß die Tür auf.
    Er stolperte und fiel auf die Knie, obwohl Lena ihn aufzufangen versuchte.
    »Er kommt herein. Er ist betrunken. Ich möchte nicht, dass er hier heraufkommt, aber er will nicht gehen. Jeder sagt, alle sagen, er sehe genauso aus wie Lucian, aber sie sehen nicht seine Augen. Ich muss dafür sorgen, dass er weggeht, weg von meinem Baby. Ich wünschte, Claudine wäre nicht gegangen, um sich mit Jasper zu treffen. Ich bin nicht gern allein hier oben mit Julian. Er macht mir Angst, aber ich möchte nicht, dass er es mir anmerkt.«
    Seine Augen waren glasig, Rauchglas in einem Gesicht, das totenbleich geworden war. »Declan, o mein Gott, Declan, komm zurück.« Sie drückte ihm die Hand, bis sie spürte, wie sich Knochen an Knochen rieb.
    »Als er mich packt, weiche ich
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