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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht
Autoren: Nora Roberts
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ihm aus.« Seine Stimme war jetzt atemlos. Er kniete noch immer, ein langgliedriger Mann mit von der Sonne gesträhntem Haar im Smoking und mit loser Krawatte. Ein Mann mit den Erinnerungen einer Frau, aufgewühlt von der panischen Angst einer Frau.
    »Aber ich kann mein Baby nicht allein lassen. Ich nehme den Schürhaken vom Kamin. Ich werde ihn umbringen, wenn es sein muss. Ich werde ihn umbringen, wenn er mich oder mein Baby anrührt. O mein Gott, o mein Gott.«
    Als die Knie unter ihr wegzuschmelzen schienen, sank Lena neben ihm auf den Boden und versuchte ihn in die Arme zu nehmen.
    »Er ist stärker als ich. Ich schreie und schreie, aber keiner kommt mir zu Hilfe. Er ist betrunken und wahnsinnig. Er ist wahnsinnig und betrunken. Er wirft mich zu Boden und zerrt an meinen Kleidern. Ich kann mich nicht befreien. Mein Baby schreit, aber ich kann nicht zu meiner Kleinen. Ich kann ihm nicht Einhalt gebieten.«
    »Oh.« Zitternd versuchte Lena ihn festzuhalten, ihn zu wiegen. »Nein, nein, nein, nein.«
    »Er vergewaltigt mich.« Mitten in ihm brannte ein Feuer. Schmerz, Schmerz und Angst. O Gott, diese Angst. »Ich schreie um Hilfe. Ich schreie nach dir, aber du bist nicht da.«
    Seine Stimme wurde brüchig vom Weinen. »Du kommst nicht. Ich brauche dich.«
    »Nicht, nicht, nicht«, war alles, was sie sagen konnte, als sie sich an ihn klammerte.
    »Er tut mir weh, aber ich kämpfe mit ihm. Ich versuche ihm Einhalt zu gebieten, aber er will nicht aufhören. Ich habe solche Angst, solche Angst, aber dennoch weiß ich, dass er es nicht tut, weil er mich haben will. Er tut es, weil er dich hasst.«
    Er wandte seinen Kopf, seine sturmgrauen Augen schwammen vor Tränen. »Er hasst dich. Und weil ich dir gehöre, muss er mich zerbrechen. Wie er deine Spielsachen zerbrochen hat, als ihr Kinder wart. Ich flehe ihn an aufzuhören, aber er hört nicht auf. Er versucht mein Schreien zu unterdrücken, aber ich kann nicht aufhören. Ich kann nicht. Seine Hände liegen an meiner Kehle.«
    Er krümmte sich unter diesem grauenhaften Druck, dem Schock, keine Luft mehr zu bekommen. »Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht atmen. Mein Baby schreit nach mir und ich kann nicht atmen. Er bringt mich um. Während mein Baby in seinem Bettchen schreit. Unser Baby. Während er noch in mir ist. Er zerbricht mich wie ein Spielzeug, das seinem Bruder gehört.«
    Er hob den Kopf und sah Lena jetzt an. Und als er sprach, lag eine solche Trauer in seiner Stimme, dass sie daran beide hätten sterben können. »Du bist nicht gekommen. Ich habe gerufen, aber du bist nicht gekommen.«
    »Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.«
    »Sie ist gekommen.« Schwankend kam Declan auf die Füße. »Sie kam und sah, was er mir angetan hatte. Sie sah auf mich hinab, als wäre ich Unrat, der weggewischt sein musste, ehe die Nachbarn auf Besuch kamen.«
    Inzwischen waren seine Augen trocken und verengten sich, als im ersten Stock die Türen flogen. »Ihr Haus, ihre Söhne – und ich war die Bayou-Schlampe, die es unbefugt betreten hatte. Ich beobachtete sie, als sie zu mir hinabsah. Dieses Beobachten war wie im Traum. Ich sah, wie sie ihm befahl, mich hinauszutragen, hinunter in mein Schlafzimmer, während sie das Blut und das Kerzenwachs und das zerbrochene Geschirr aufwischte. Er trug meinen Körper hinaus auf die Galerie, aber ich beobachtete sie, verfolgte, wie sie ans Bett meines süßen Babys trat, und hörte, wie sie überlegte, ob es nicht das Beste wäre, das Kind zu ersticken. Sie zog es in Erwägung und ich glaube, wenn sie es versucht hätte, wäre noch genug Kraft in mir gewesen, sie wie ein Blitzschlag zu treffen.«
    Er ging zurück zur Tür. »Sie hielt mich für schwach, aber sie irrte sich. Sie konnten mich töten, aber sie konnten mich nicht auslöschen.«
    »Declan, es reicht.«
    »Nein, noch nicht.« Er ging die Treppe hinab und den Flur hinunter bis zu Abigails Schlafzimmer. »Hier drinnen legte er mich aufs Bett. Und er weinte. Nicht meinetwegen, sondern seinetwegen. Was würde aus ihm werden? Seine Hand hatte mich geschändet und mich getötet, aber er dachte nur an sich selbst. Und tut es noch immer. Denn er ist in diesem Haus, er und Josephine. Gehen auf und ab und warten in ihrer kleinen Hölle.«
    Er ging hinüber zur Wand, wo der Kleiderschrank gestanden hatte, und öffnete in Gedanken die Tür. »Sie nahmen einige meiner Kleider heraus. Ich hatte hier drinnen das Kleid für den Ball. Ich war so stolz darauf. Ich wollte schön sein für
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