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Mitteilungsheft - Leider hat Lukas

Mitteilungsheft - Leider hat Lukas

Titel: Mitteilungsheft - Leider hat Lukas
Autoren: Niki Glattauer
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denn, so Gruber, es gehe zunehmend „nicht mehr bloß um den Ausgleich von Lerndefiziten und die Verhinderung von schulischem Misserfolg, sondern um die ,Optimierung‘ von Bildungschancen, um ,competitive advantage‘ in einem zunehmend von Konkurrenz und Selektion geprägten Bildungssystem. Eltern mit ,kulturellem‘ und ,richtigem‘ Kapital schicken ihre Kinder vermehrt auf (teure) Lernferien im In- und Ausland.“
    Mit fatalen Folgen: Das Nachhilfeunwesen verstärke die soziale Ungerechtigkeit, weil, so Gruber, für einkommensschwache Familien die vermutlich wirksamste Nachhilfe in Form von Einzel- oder Kleingruppenunterricht so gut wie unerschwinglich sei. Und weiter: „Zudem tendieren österreichische Eltern, die selber keine AHS besucht haben, dazu, ihre Kinder, wenn diese in der AHS-Unterstufe in Schwierigkeiten geraten, eher rasch aus der AHS zu nehmen und in die Hauptschule zu schicken, während Mittel- und Oberschichteltern in solchen Fällen das gesamte Instrumentarium der familiären Lernhilfe und der zugekauften Nachhilfe aktivieren.“
    3 Prof. Karl Heinz Gruber lehrt Vergleichende Erziehungswissenschaften an der Universität Wien.
Neue Mittelschule (NMS)
    a) ist sie nicht neu. b) hält sie nicht, was der Name verspricht. Als Schulversuch wurde die NMS in Wien bereits vor 30 Jahren (!) erprobt und evaluiert. Teile des damaligen Konzepts sind inzwischen als „Wiener Mittelschule“ (WMS) ins Regelschulwesen übergegangen. Ad b): Fälschlicherweise suggeriert der Name, dass es sich bei der NMS um eine Art „neues Gymnasium“ handle. Tatsächlich sind die aktuell knapp 1000 Standorte mit rund 6000 Klassen für rund 120.000 Schülerinnen und Schüler (Plansoll für das Schuljahr 2013/14) zu 90 Prozent umetikettierte Hauptschulen.
    Das Auswechseln der Türschilder (in Wien von Hauptschule, HS, zu Kooperativer Mittelschule, KMS, und jetzt zu NMS) wird in Österreich „Bildungspolitik“ genannt. Und das ungeniert und offiziell. So bedeute die Einführung der NMS nach Eigenangaben des Bildungsministeriums „einen ersten Schritt auf dem Weg zur gemeinsamen Schule“. Natürlich, es ist ein Schritt – und ein teurer dazu –, aber trotz der damit verbundenen pädagogischen Aufrüstung meiner Meinung nach einer in die falsche Richtung, denn er zementiert die parallel laufenden Schulformen ein.
    Solange es nämlich die AHS in ihrer so genannten Langform gibt (sprich: mit Unterstufe = Mittelstufe für die 10- bis 14-Jährigen), werden die Laurins und Alma-Marias der städtischen Ballungsräume weiterhin die AHS stürmen, und unsere Marcels, Alis und Ivanas, Kevins, Dalibors und Jessicas ziemlich unabhängig von Talenten und Fähigkeiten in die Restschule gesteckt, die jetzt eben Neue Mittelschule heißt.
Noten
    Sind Kinder ihrer Zeiten und Räume. Dass in Österreich seit einigen Jahrhunderten fünf Noten existieren (von 1, „Sehr gut“, bis 5, „Nicht genügend“), an NMS in Zukunft sieben, die dann aber auch wieder nur fünf sind (aber das ist eine eigene Geschichte), ist nicht gottgegeben. Die Deutschen z. B. kennen auch eine 6, „Besonders nicht genügend“, aber die Deutschen sagen ja auch megahammergeil, © Dieter Bohlen, weil ihnen megageil offenbar nicht reicht. Auch in Polen etwa gibt es sechs Noten, fünf mehr oder weniger „gute“ – und eine schlechte, diese – umgekehrt – beziffert mit 1.
    Die Noten in Polen: 6 celuja˛cy – hevorragend, 5 bardzo dobry – sehr gut, 4 dobry – gut, 3 dostateczny – befriedigend, 2 dopuszczaja˛cy – ausreichend, 1 niedostateczny – ungenügend.
    Anders die Niederlande mit zehn Noten, gleich sieben davon im Umkreis von „genügend“.
    Noten in den Niederlanden: 10 uitstekend – ausgezeichnet, 9 zeer goed – sehr gut, 8 goed – gut, 7 ruim voldoende – mehr als genügend, 6 voldoende – genügend, 5 bijna voldoende – beinahe genügend, 4 onvoldoende – ungenügend, 3 zeer onvoldoende – stark ungenügend, 2 slecht – schlecht, 1 zeer slecht – sehr schlecht.
    In China z. B. gibt es keine Ziffernnoten, sondern Punkte, die es zu erreichen gilt. Mit 100 Punkten ist man „Sehr gut“, unter 60 „Nicht genügend“. In vielen Alternativ-, Privat- und/oder Eliteschulen dieser Welt wird auf Noten überhaupt gepfiffen. Anlässlich eines Treffens mit Wolfgang Vogelsänger, dem Direktor der renommierten und prämierten Göttinger Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule (siehe
Elternsprechtag
), fragte ich, was er jetzt noch erreichen könne.
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